Der 176. bis 180. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess

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JEZT - Inside NSU - Das Original - Abildung © MediaPool Jena

„Inside NSU“ – Das Original – Abildung © MediaPool Jena

Aus Pressemeldungen zusammengestellt von Annett Szabo-Bohr:

21.01.2015: Der 176. Verhandlungstag

Am 176. Tag im Müchner „NSU“-prozess wurde nochmals der Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln verhandelt, bei dem seinerzeit 22 Menschen verletzt wurden. Erneut zeigte sich, dass viele von ihnen bis heute mit den Folgen zu kämpfen haben, obwohl der Anschlag inzwischen mehr als zehn Jahre her ist.

Die heute 47-jährige Zeugin Emine K. erklärte vor Gericht, dass sie „wie durch Zufall“ von den fliegenden Nägeln und Splittern der Bombe verschont geblieben sei, der starke Explosionsknall habe jedoch ihr rechtes Ohr stark geschädigt. Halbtaub sei sie auf die Straße gelaufen und habe versucht, einem Mann zu helfen, dessen Beine brannten. Sie kann das bei heute nicht vergessen, erklärte sie der Strafkammer am Münchner Oberlandesgericht.

Auch den Juwelier Metin I. traf die Wucht der Explosion unter der er auch heute noch leidet, die er berichtete. „Wenn ich auf der Keupstraße bin und sehe ein Fahrrad vorbeifahren, dann denke ich, es könnte wieder passieren, ich laufe rein“, sagte der 58-Jährige. Drei Nägel hatten ihn getroffen, noch heute hört er auf dem rechten Ohr deutlich schlechter.

Unter den Opfern befand sich auch ein deutscher Rentner, Gerd H., der gegen Ende des 176. Tags des „NSU“-Prozesses in den Zeugenstand gerufen wurde- Er war im Juni 2004 mit dem Fahrrad in der Keupstraße unterwegs gewesen, als die Bombe detonierte. „Ich bekam Angst und einen furchtbaren Schmerz in meinen Ohren“, sagte der 78-Jährige Rentner aus, „das war unbegreiflich schlimm“. Er hat auch weiterhin Probleme mit den Ohren, hört rechts kaum moch etwas, hat einen Tinnitus im Kopf.

Doch er sah die Person, die das Fahrrad mit der Box abstellte, in dem der Sprengsatz versteckt war. Der Mann sei ungefähr 30 Jahre alt gewesen, etwa 1,80 Meter groß, er habe lange Koteletten gehabt und eine Baseballkappe auf dem Kopf, so die Aussage vor Gericht. Laut der Anklage der Bundesanwaltschaft handelte es sich dabei um Uwe Mundlos.

22.01.2015: Der 177. Verhandlungstag

An diesem Prozesstag wurde die Befragung von Zeuginnen und Zeugen aus der Keupstrasse fortgeführt. Zuerst sitzt Fatma T. auf dem Zeugenstuhl im „NSU“-Prozess und erzählt über den Tag des Anschlags. Sie arbeitete in einer Fahrschule direkt in der Keupstraße md die Bombe explodierte nur wenige Meter von ihr entfernt, als sie an ihren Schreibtisch direkt am Schaufenster saß. Sie berichtete über ihre Verletzungen und die seelischen Wunden.

Außerdem sagte ein pensionierter türkischer Offizier aus, der mit seinem Bruder gerade Urlaub in Deutschland machte und am Tag der Explosion rein zufällig in der Keupstraße war . Er berichtete von der gewaltigen, kugelartigen Stichflamme und darüber, dass es, aufgrund seiner militärischen Erfahrung, an ein Wunder grenze, dass an diesem heißen Junitag in Köln niemand ums Leben kam, weil eben so viele Menschen in der belebten Keupstraße draußen standen oder saßen.

Ein Gutachter vom LKA NRW präsentierte dem Gericht abschließend Videoaufnahmen in Superzeitlupe von Versuchssprengungen. Die Sprengstoffexperten bauten eine Bombe aus einer Gasflasche die mit Zimmermannsnägeln bestückt wurde, so wie die in der Keupstraße, und zündeten sie in einer speziellen Versuchsvorrichtung. Auch auf den Videoaufnahmen sah man eine meterhohe, kugelförmige Explosionsflamme, dann die enorme Druckwelle und schließlich hunderte von Nägeln die sich durch die Testvorrichtungen bohrten. In einem Radius von fünf Metern waren die Geschosse absolut tödlich, so das Fazit des Gutachters. Aber auch darüber hinaus hätte die Bombe durchaus Menschenleben kosten können, so der Experte.

27.01.2015 = Der 178. Verhandlungstag

Gerlinde B. war am 09.06.2004 in der Nähe des Tatorts unterwegs gewesen. Darüber berichtete die heute 63-jährige Rentnerin an Tag 178. Sie habe gerade ihr Sportprogramm im Fitness-Studio absolviert, erklärte sie, und war auf dem Weg nach Hause. Auf einem kleinen Seitenweg der Keupstraße wäre ihr ein junger Mann entgegen gekommen, der sein Fahrrad sehr vorsichtig schob, so die Zeugin, was sei ihr merkwürdig vorgekommen sei, zumal keiner der Reifen platt gewesen sei. Auf dem Gepäckträger habe sich darüber hinaus ein schwarzer Koffer befunden, der eigentlich mehr zu einem Motorrad gepasst hätte, so ihre Aussage vor dem OLG München.

Das Aussehen des Fahrrads passt der Beschreibung nach zu dem Rad, auf dem der Sprengsatz montiert war und das an diesem Tag vor dem Geschäft eines Friseurs in der Keupstraße abgestellt worden war. Den Mann, der das Rad schob, beschrieb die Rentnerin als groß und schlank. Er habe eine Kappe getragen und sei vom Aussehen her kein Ausländer oder Türke gewesen. Als nach dem Auffliegen des „NSU“ im November 2011 Bilder von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos im Fernsehen gezeigt wurden, erkannte die Rentnerin aus Köln Böhnhardt sofort, wie sie aussagt. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl fragte sie noch einmal. Ja, sagte sie, es habe sich um den Mann mit dem schwarzen Koffer auf dem Gepäckträger gehandelt. Das sei Uwe Böhnhardt gewesen.

Eine weitere Zeugin, Ebru A.,schilderte anschließend seine Erinnerungen an den Sommernachmittag 2004. Sie sei eine Zeitlang im Türrahmen gestanden, habe Kaffee getrunken und das Leben auf der Straße beobachtet. Dann sei sie zurück in den Laden gegangen, weil das Telefon geläutet habe. „Dass Gespräch war gerade beendet, das gab es einen gigantischen Knall. Es war, als würde die Straße nicht mehr existieren“, so die Zeugin im Prozess. „Ich habe dann in Panik die Jalousien runtergemacht“, sagt die 36-jährige. Im Laden viele Nägel, draußen auf der Straße blutende Leute, Menschen die geschrien haben, Chaos. Dann habe sie bemerkt, dass im Türrahmen, dort wo sie noch vor kurzer Zeit gestanden wäre, drei lange Nägel steckten.

28.01.2015: Der 179. Verhandlungstag

Gehört wurde am 179. Verhandlungstag eine türkische Hausfrau, die den Anschlag am 09.06.2004 hautnah miterlebt hatte und die noch heute psychisch unten den Erlebnissen leidet. Im Zeugenstand waren anschließend auch ihre beiden erwachsenen Kinder. Die Tochter wäre um ein Haar vor einem Laden an der Keupstraße von den Eisennägeln getroffen worden, die in der Bombe der NSU-Terroristen steckten. Ihr Bruder stand mit seinem Auto gerade an der nächsten Hausecke, als der Sprengkörper explodierte.

Nach diesen Zeugenaussagen entspann sich im Verhandlungssaal aber ein Streit unter den Nebenklageanwälten um die Frage, ob eine Person, die bei dem Anschlag weder verletzt wurde noch einen dauerhaften psychischen Schaden davongetragen hat, tatsächlich ein Nebenklagerecht im Sinne der Strafprozessordnung hat. Das Gericht hatte dies zu Prozessbeginn bejaht. Jetzt allerdings führte die Diskussion dazu, dass man hinterfragte, ob solche Zeugenaussagen die Prozessdauer nicht unnötig verlängern würden.

29.01.2015 = Der 180. Verhandlungstag

Am 180. Tag des „NSU“-Prozesses berichtete eine Kommissarin des BKA detailliert über verschiedene Ordner und Dateien auf der DVDs, die die Mitglieder des „NSU“-Trios angelegt hatten und die im Brandschutt der Zwickauer Wohnung nahezu unversehrt aufgefunden worden waren. „Killer“, „Mein Kampf“, „Reiseplanung“ so weinige Titel, darin eine Auflistung von möglichen Anschlagszielen in Deutschland: Moscheen, Synagogen, Parteizentralen, außerdem Adressen und Kontaktdaten von Banken und Waffengeschäften. Die Terroristen Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe werden im Prozess für zehn Morde, zwei Bombenanschläge und zahlreiche Banküberfälle verantwortlich gemacht. Die Beamtin und ihre Kollegen fanden in den Dateien allein in Köln 109 Adressen.

Auf einer DVD gab es auch Dateien mit zwei DinA3-Papieren. Zu sehen sind sogenannte Wettvereinbarungen zwischen „Böhni“ (= Uwe Böhnhardt) und „Liese“ (= Beate Zschäpe). Das Ziel: Am 1. Mai (wahrscheinlich 2005, so die Zeugin) will Böhnhardt 85 kg Körpergewicht haben, „Liese“ will dagegen „strandtaugliche 62 kg“ erreichen. Was sollte sein, wenn es nicht gelingt? „Strafe muss sein“ wurde verinebart, z.B. durch das Putzen bestimmter Wohnräume oder durch das Schneiden von Videoclips. Richter Götzl zitierte aus den Wettvereinbarungen: „Sollten wir beide versagen, werden wir gemeinsam die Wohnung putzen.“

Am Nachmittag sagten dann nochmals zwei Zeugen zur Kölner Keupstraße aus. Der 62-jährige technischer Angestellte Franz Peter S. aus Köln und seine 78-jährige Schwiegermutter, die Glück gehabt hatten, da beide bei der Explosion der Nagelbombe im Stadtteil Mülheim unverletzt geblieben waren.

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