Der 196. bis 199. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess

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JEZT - Inside NSU - Das Original - Abildung © MediaPool Jena

„Inside NSU“ – Das Original – Abildung © MediaPool Jena

Aus Pressemeldungen zusammengestellt von Annett Szabo-Bohr:

26.03.2015: Der 196. Verhandlungstag

Am 196. Tag im Münchner „NSU“-Prozess ging es nochmals um den Nagelbombenanschlag in Kölner Keupstraße, bei dem 22 Menschen von herumfliegenden Nägeln und Bombensplittern teilweise schwer verletzt wurden. „Es war als wäre ich hundert Meter unter die Erde geschleudert worden,“ beschrieb der Zeuge Muharrem S. die Explosion. Der 69-Jährige war Inhaber eines Reisebüros in der Keupstraße und wurde in der Nähe seines Geschäfts von der Wucht der Detonation zu Boden gerissen. Dabei erlitt er ein Knalltrauma am Ohr, sein Geschäft wurde stark beschädigt, wie der heutige Rentner vor Gericht beschrieb. Nach dem Anschlag blieben die Kunden aus und er musste sein Reisebüro 2011 schließen.

Im Anschluss beschäftigte sich das Gericht mit den zwei Sparkassenüberfällen des „NSU“-Terror-Trios in Stralsund. Der Bundesanwaltschaft zufolge sollen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos diese durchgeführt haben, während Beate Zschäpe später das erbeutete Geld verwaltete; laut Anklage soll sich der „NSU“ zahlreichen Banküberfällen finanziert haben. Zwei geladene Zeuginnen hatten beide Überfälle miterlebt. Die Bankangestellte Doris M. schilderte zunächst, wie sie am 07.11.2006 von einem maskierten Mann an ihrem Arbeitsplatz gezwungen wurde, die Hände auf den Tisch zu legen und sitzen zu bleiben. Bei dem zweiten Überfall am 18.01.2007 befand sie sich im Raum mit den Kontoauszugsdruckern, als ein Mann mit Kapuze die Sparkasse betrat. „Als ich die Sturmmaske sah, dachte ich, nein, nicht schon wieder.“ Der Täter schrie „Rein, rein, hinlegen“ Diesmal harrte sie mit einer Kundin auf dem Boden liegend aus, bis die zwei Täter die Bank verließen. Sie sei froh, dass sie nicht geschlagen oder getreten worden sei. „Körperlich sind wir nicht verletzt worden, aber psychisch ist das etwas anderes“, sagte Doris M. Die Angst sei immer noch da, wenn jemand mit Mütze die Bank betrete.
Bis heute Angstzustände

Auch die zweite Zeugin gab vor Gericht an, Sie leide immer noch unter den psychischen Folgen der beiden Überfälle. Marlies B. muss bis heute Psychopharmaka nehmen und ist in psychologischer Betreuung. Beim ersten Überfall ging die Bankangestellte in ihrem Büro in Deckung. Als die Täter aber wenige Wochen später zurückkehrten, bedrohte sie einer der Bankräuber direkt mit einer Waffe, die er an ihren Kopf hielt. „Keine Verarsche. Ich knall dich ab“, schrie der Maskierte Mann die Zeugin an. Sie erzählte mit stockender Stimme wie sie daraufhin den Tresor aufschließen musste. Sie habe dabei in die Augen des Täters gesehen und die hätten sich überhaupt nicht bewegt. Arbeiten konnte Marlies B. nach dem zweiten Überfall nicht mehr. Sie habe Angstzustände, sagte die heute 60-Jährige im Gerichtssaal. „Ich kann das einfach nicht vergessen. In der Nacht ist es am Schlimmsten.“

14.04.2015: Der 197. Verhandlungstag

Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl teile zu Beginn der Verhandlung mit, dass das OVG München aufgrund der anhaltenden Gesundheitsprobleme von Beate Zschäpe vorerst nur an zwei Tagen pro Woche weiter verhandelt werde. Damit wird sich der Prozess weiter verzögern und länger andauern, als vorgesehen. Geplant war ursprünglich, ihn noch im Jahre 2015 zu beendet, jedoch könnte – wenn sich der Gesundheitszustand der Hauptangeklagten nicht bessert – ein Ende im Frühjahr 2016 wahrscheinlich sein. An diesem Prozesstag wurden die Zeugenbefragungen nach den Überfällen auf die Sparkassenfiliale in Stralsund am 07.11.2006 und am 18.01.2007 abgeschlossen; es sagten insgesamt sieben Mitarbeiter und Kunden sowie ein Polizist aus Stralsund aus. Böhnhardt und Mundlos hatten bei den beiden Überfällen auf die Sparkassen-Zweigstelle über 255.000 Euro erbeutet.

15.04.2015 = Der 198. Verhandlungstag

Für die Gruppe der Nebenkläger gab es am 198. Verhandlungstag vor dem Münchner Oberlandesgericht keine neuen Erkenntnisse, jedoch komplettierte sich das Bild der Bank- und Sparkassenüberfälle von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt.  Zum letzten Mal gab es einen solchen Überfall am 04.11.2011 in Eisenach. Dort misslang beiden die Flucht, weshalb ihr Fluchtfahrzeug, ein Wohnmobil, in Flammen aufging, nachdem Uwe Mundlos zuerst Uwe Böhnhardt erschossen hatte und dann Selbstmord beging.

In diesem Wohnmobil und im Brandschutt der letzten Wohnung von Beate Zschäpe, der Zwickauer Frühlingsstraße fand die Polizei zahlreiche Beweismittel, die inzwischen eindeutig belegen, dass Mundlos und Böhnhardt in den Jahren zuvor auch andere Banken ausgeraubt haben. Ein BKA-Beamter berichtete vor dem OVG detailliert über zwei Überfälle in Stralsund und einen in Arnstadt in den Jahren 2006, 2007 und 2011. Die Aufnahmen aus den Überwachungsvideos belegen, dass es stets die gleichen zwei Täter waren, einer (Böhnhardt) größer als der andere (Mundlos) und es wurden bei allen drei Überfällen auch exakt die gleichen Waffen benutzt. Ebensolche Waffen fanden die Ermittler zudem später im Brandschutt des Wohnmobils in Eisenach sowie der Wohnung in Zwickau.

Der Beamte führte aus, dass man an beiden orten ebenso Geldbündel gefunden habe, die aus den Überfällen in Stralsund stammen mussten, wie die Banderolen um die Scheine belegen. Auch die gefundenen Kleidungsstücke passen ins Bild, an manchen hätte man sogar DNA-Spuren von Mundlos und Böhnhardt gefunden, wie er aussagte. Außerdem habe das BKA auf einem ebenfalls sichergestellten, halb verbrannten Stadtplan Skizzen der überfallenen Sparkassenfilliale und handschriftliche Anmerkungen gefunden, die laut Schriftgutachten von Uwe Mundlos gemacht stammen.

Auf Bitte des Vorsitzenden Richters gab der BKA-Beamte anschließend eine zusammenfassende Gesamtsicht der gefundenen Beweismittel ab. Nach seiner Ansicht belegen diese Beweismittel zweifellos: zumindest für die beiden Überfälle in Stralsund und die beiden letzten in Thüringen sind Böhnhardt und Mundlos verantwortlich. Die Bundesanwaltschaft äußerte sich nach dem Verhandlungstag zufrieden und ließ erklären, dass die Aussage zumindest diesen Teil ihrer Anklage, durch diesen Prozesstag bestätigt sehe.

16.04.2015 = Der 199. Verhandlungstag

Am 199. Tag des „NSU“-Prozesses berichteten ein ehemaliger Kinder- und ein Jugendfreund von Uwe Mundlos über ihre Erinnerungen an den späteren „NSU“-Terroristen. Zeuge Alexander H. spielte mit Uwe Mundlos Basketball, gemeinsam gingen sie auf Radtouren. H. sagte aus, dass er mit Mundlos weiter befreundet blieb, obwohl dieser Ende der 1990er Jahre immer mehr „in den rechten Bereich abdriftete“. Nach eigener Aussage habe Alexander H. mit Uwe Mundlos Kontakt gehalten, bis dieser 1998 mit Beate Zschäpe und Uwe Böhnhardt die Flucht ergriff und in den Untergrund ging. Vor Gericht sagt der Zeuge zudem, dass er nichts mit der rechten Szene zu tun habe.

Der zweite Zeuge des Tages, Marcus F. – nach eigener Aussage ein Kinderfreund von Mundlos, mit dem er bereits im Sandkasten zusammen gespielt haben will – war aber zumindest zweitweise ein bekennendes Mitglied der rechtsextremen Szene Jenas gewesen. Im Münchner Prozess konnte er sich allerdings an so gut wie nichts und niemanden aus der damaligen Zeit erinnern, weder an Namen noch an gemeinsame Unternehmungen mit dem späteren „NSU“-Trio; der 41-Jährige räumte lediglich ein, dass er damals „gesoffen und geprügelt habe“. Erst nach mehreren Ermahnungen des Vorsitzenden Richters Manfred Götzl an die Wahrheitspflicht vor Gericht,  kamen Marcus F. dann doch noch zwei Namen ins Gedächtnis. Der Vorsitzende der 6. Staatsschutzkammer war zwar sichtlich von F. genervt, aber machtlos, denn es war ihm schlichtweg nicht möglich, F.s Behauptungen, er könne sich nicht mehr an Dinge erinnern, die 15 Jahre und länger zurückliegen, zu widerlegen.

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