Der 210. bis 215. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess

07.07.15 • JEZT AKTUELL, STARTKeine Kommentare zu Der 210. bis 215. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess

JEZT - Inside NSU - Symbolbild © MediaPool Jena 2015

Aus Pressemeldungen zusammengestellt von Annett Szabo-Bohr:

16.06.+17.06.2015: Der 210. und 211. Verhandlungstag

Trotz der Vertrauenskrise zwischen der Hauptangeklagten und ihren Verteidigern wurde der Prozess auch anTag 210 fortgesetzt. Das OLG München entschied, dass Rechtsanwältin Anja Sturm vorserst die Hauptangeklagte Beate Zschäpe weiter verteidigen wird, bis über Zschäpes Begründung endgültig entschieden ist. Als Zeuge war am 210. Verhandlungstag ein ehemaliger Sympathisant des rechtsextremen Terror-Trios geladen. Außerdem wurden von der Bundesanwaltschaft Beweise zu einem Überfall auf eine Sparkasse in Zwickau aus dem Jahre 2002 und mehrere Videodateien des „NSU“-Trios vorgelegt. Hierzu sagte ein Kriminalhauptkommissar aus und beantwortete Fragen des Gerichts.

An Tag 211. ging es vor dem Oberlandegericht München um merkwürdige Telefonate von Andreas T., eines früheren Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, der am Tag des „NSU“-Mordes an Halit Yozgat am Tatort in dessen Internetcafé in Kassel war. Bislang hatte T. dies als „puren Zufall“ dargestellt, zudem habe er von dem Mord nichts bemerkt. Jetzt wurden frühere Kollegen von ihm als Zeugen gehört, wobei es um bestimmte Telefonate ging, die sie mit ihm geführt hatten. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl ließ diese Telefonate im Gerichtssaal vorspielen. Aufklärendes zum Mord an Yozgat liefern sie nicht, was auch der erste Zeuge bestätigte, indem er sagte, es seien „ganz normale Telefonate“ gewesen, die er nach der Tat mit T. geführt habe. Und die Mitschnitte belegen, dass er T. den Rat gab, einfach zu sagen, „was gewesen ist, nichts aufbauschen, nichts weglassen“, waren seine Worte.

Mit dem Spruch  „Was machst du denn für eine Scheiße?“, begrüßte ihn ein anderer Zeuge am Telefon. In diesem Telefonat bestätigte Andreas T. , dass er etwa zur Zeit des Mordes an Yozgat in dessen Internetcafé war. Um 17.01 Uhr hatte er sich am Computer ausgeloggt nur Sekunden später müssen die tödlichen Schüsse gefallen sein. Beinahe 20 Minuten dauert diese Einspielung des Telefonats zwischen Andreas T. und dem befreundeten Kollegen.

Es ist später Nachmittag, bei vielen Anwesenden lässt die Konzentration nach. Da wendet sich Götzl direkt an Beate Zschäpe und fragt „Frau Zschäpe, sind Sie bei der Sache?“ und noch bevor deren Anwälte reagieren können, antwortet mit einem deutlich zu hörenden „Ja“. Im Grunde eine Nebensächlichkeit, aber vielleicht doch ein erstes Zeichen, dass sie bereit ist, ihr beharrliches Schweigen zu brechen und sicher kein Zufall, dass sie dies mitten in ihrer Verteidigerkrise macht; bislang hatte Beate Zschäpe auf Fragen des Richters nur genickt. Auch ungewöhnlich, dass sich ihre Anwälte Heer, Stahl und Sturm derart von dem Vorsitzenden Richter überrumpeln ließen.

23.06.+24.06.2015: Der 212. und 213. Verhandlungstag

Eine Überraschung gab es am 212. Tag des „NSU-Prozesses“: nach der Aussage eines Zeugen erscheint es durchaus möglich, dass die „NSU“-Terroristen Mundlos und Böhnhardt einen weiteren Mittäter hatten – oder aber, dass Beate Zschäpe selbst an zumindest einem Tatort ins Geschehen eingriff. So sagte der Zeuge aus, nach einem Überfall auf einen Supermarkt in Chemnitz seien „drei Personen rausgerannt“. Seine Erinnerung sei deshalb so frisch, weil er bei der Tat im Dezember 1998 nur knapp mit dem Leben davon gekommen war, denn „als ich die drei flüchtenden Räuber auf dem Parkplatz vor dem Edeka-Markt verfolgte, schoß einer der Räuber auf mich“, wie er sagte. „Er drehte sich um, er rief ‚bleib stehen‘ und hat dreimal geschossen“, wobei eine Kugel „knapp am Kopf vorbeigeflogen kam“. Laut Anklage der Bundesanwaltschaft verübten nur Mundlos und Böhnhardt den Überfall, der mutmaßlich der erste der 1998 abgetauchten Rechtsextremisten war und bei dem sie 30.000 D-Mark erbeuteten. Wer die dritte Person auf dem Parkplatz sein soll, bleibt aber dennoch offen.

An Tag 213. hörte das Gericht zwei weitere Opfer des Nagelbomben-Anschlags in der Kölner Keupstraße von 2004. Beide Zeugen, die auch als Nebenkläger am Prozess teilnehmen, hatten bei dem Anschlag Verletzungen erlitten, über deren Schwere ein Sachverständiger Auskunft gab.

30.06.+01.07.2015: Der 214. und 215. Verhandlungstag

An Verhandlungstag 214. vor dem Münchner OLG gab es bereits den siebten Auftritt des früheren hessischen Verfassungsschützers Andreas T. (er arbeitet inzwischen für eine andere hessische Behörde), der vor bzw. während des Mordes an Halit Yozgat am Tatort war. Doch der im Saal abgespielte Mitschnitt eines abgehörten Telefonats zwischen der Ehefrau T.s und deren Schwester brachte wenig Neues an den Tag: einzig die Verärgerung der Ehefrau über ihren Mann, da T. in Halit Yosgats Internetcafe mit fremden Frauen chattete. Dazu wurde Frau T. als Zeugin gehört, jedoch waren sich viele Berichterstatter darin einig, dass man ihr die peinlichen Details aus dem Telefonmitschnitt hätte ersparen können, da sie ohnehin zur Aufklärung der Tat nichts beitrugen.

Irritationen gab es am 215. Verhandlungstag, weil der Vorsitzende Richter des Strafsenats, Manfred Götzl, die Entscheidung über Beate Zschäpes Antrag auf einen Wechsel in deren Verteidigerteam, oder aber die Aufstockung um einen vierten Verteidiger, immer noch nicht bekannt gab. Dafür gab es an diesem Tag die Vernehmung eines V-Mann-Führers des brandenburgischen Verfassungsschutzes über die Beziehungen seiner Behörde zu dem Rechtsextremisten mit Tarnnamen „Piatto“. Der soll bereits 1998 den Hinweis geliefert haben, dass drei Neonazis untergetaucht seien, weil sie von der Polizei gesucht würden, und dass das Trio – vermutlich Beate Zschäpe und die beiden Uwes Mundlos und Böhnhardt – aus der Szene mit Waffen versorgt werden sollen. Das Ziel der drei sei es, wie „Piatto“ seinem V-Mann-Führer mitteilte, mit Überfällen Geld für eine Flucht nach Südafrika zu bekommen. Dem Punkt dieser Behauptungen, dass damit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt gemeint gewesen sein könnten, kam das Gericht aber auch bei der stundenlangen Befragung des V-Mann-Führers nicht näher. Der Nachrichtendienstler gab an, sich nach 17 Jahren nicht mehr an Einzelheiten der V-Mann-Führung erinnern zu können und wurde – je mehr die Nebenklageanwälte den Zeugen ausfragten – immer vergesslicher.

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