Glückliches Ende einer „Beinahe-Katastrophe“: Studierende der EAH verlieren einen Stratosphären-Ballon über Tschechien, finden aber die wertvolle Forschungskapsel in der Nähe von Prag

26.02.16 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENA, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKeine Kommentare zu Glückliches Ende einer „Beinahe-Katastrophe“: Studierende der EAH verlieren einen Stratosphären-Ballon über Tschechien, finden aber die wertvolle Forschungskapsel in der Nähe von Prag

JEZT - Eine der letzten Aufnahmen des verschollenen Ballons - Foto © EAH Katharina Sawatzki

Eine der letzten Aufnahmen des verschollenen Ballons – Foto © EAH Katharina Sawatzki

(JEZT / EAH / BERNHARD DOEPFER) – Fast auf den Tag genau vor einem Jahr hob der erste Stratosphärenballon der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) Jena ab. Am Mittwoch ging das Projekt in seine zweite Runde: Wochenlang hatten Mechatronik-Studenten der EAH auf diesen Moment hingearbeitet. Um 11 Uhr 18 schickten sie einen neuen Ballon nebst aufwendig selbst-konstruierter Forschungseinheit auf die Reise in die Stratosphäre. Er stieg bis auf mindestens 22 Kilometer, flog über Zwickau leicht in den tschechischen Luftraum ein, machte dann den empfangenen Daten nach plötzlich eine Wende Richtung Dresden und Bautzen und auf der Höhe von Bischofswerda gab es das letzte Signal der Forschungskapsel. Merkwürdig war dabei nur der stetig gemeldete konstante Höhenwert – Sollte der Ballon nebst Forschungseinheit in der Luft einfach „stehen geblieben“ sein?

Trotz intensiver Suche mit einem Begleitfahrzeug wurden vor Ort in Sachsen weder Ballonreste, noch die Forschungseinheit mit der angehängten Kamera-Box aufgefunden. Am Donnerstag verdichteten sich aber Hinweise, dass die Kapsel im Landesinneren von Tschechien im Großraum Prag gestrandet ist. Genährt wurde die Hoffnung, doch noch etwas von der Ballo-Mission zu aufzufinden, durch die zweite Option, die sich die EAH-Studierenden vorbehalten hatten, um das Flugobjekt wiederzufinden. Ein Spezialhandy in der Kapsel sollte bei Anruf die Positionsdaten zurückmelden. Doch den gesamten Mittwoch Nachmittag und frühen Abend habe man keine Antwort bekommen, wie Professor Grabow erklärte. Erst um 22 Uhr 30 konnte das Handy im Großraum Prag geortet werden.

JEZT - Prof. Dr. Grabow und die Mechatronik-Studenten beim Start des neuen Foschungsballons - Foto © EAH Katharina Sawatzki

Prof. Dr. Grabow (rechts) und die Mechatronik-Studenten beim Start des neuen Foschungsballons – Foto © EAH Katharina Sawatzki

Mit den Worten „Die maximale Katastrophe ist eingetreten“ kommentierte EAH-Student Roman Posselt zuvor die Situation. Posselt war Mitglied im Team, das den neuen Ballon auf die Reise in die Stratosphäre geschickt hatte und saß anschließend im Fahrzeug, das den Ballon verfolgen sollte. Die Studenten um Professor Jörg Grabow berichteten, dass der Ballon nach dem Start planmäßig allmählich an Höhe gewann, am Hermsdorfer Kreuz vorbei flog, dann südlich von Gera und über Zwickau nach Stollberg im Erzgebirge schwebte, bevor er in rund 21,5 Kilometern Höhe kurz die Grenze zu Tschechien überquerte.  Über dem tschechischen Decin wechselt der Kurs dann unvermittelt von Ost auf Nord; weshalb ist dem Ballonteam der EAH ein Rätsel. Es habe schnell ein Signal von der Elsterniederung in der westlichen Oberlausitzer Heide gegeben und schließlich traf um 13 Uhr 38 die letzte Positionsmeldung von einem weiter südlich gelegenen Punkt auf einem Feldweg bei Frankenthal bei Bischofswerda ein.

Die Werte seien „eigenartig“ kommentierte Roman Posselt die empfangenen Daten, denn angeblich habe sich der Ballon nebst der Forschungseinheit zuletzt mit 900 Stundenkilometern bewegt, dies obwohl er zuvor mit durchschnittlich Tempo 130 auf seiner Reise unterwegs war. Wie die merkwürdigen Werte zustande kamen, darüber spekulieren derzeit die Studierenden und ihr Mechatronik-Professor Jörg Grabow. Eine Hypothese sei, dass der GPS-Empfänger ab 22 Kilometern Höhe nicht mehr zuverlässig funktioniert habe.

JEZT - Flugstrecke des verschollenen Ballons - Abbildung © Webseite aprs.fi

Flugstrecke des verschollenen Ballons (blau = mögliche weitere Flugstrecke) – Abbildung © Webseite aprs.fi

Im vergangenen Jahr hatten die Studierenden der EAH einen ersten Forschungsballon in den Himmel gesandt, der bereits die Aufgabe hatte, bis auf eine Höhe von 40 Kilometern zu steigen. Die Auswertung der Daten zeigte aber seinerzeit, dass dieser Ballon bereits in rund 24 Kilometern Höhe platzte. Grabow führte das damals auf einen Materialfehler zurück. Deshalb habe er für das aktuelle Experiment seinem Studierendenteam mehr abverlangt als 2015, wie Grabow in der Ostthüringer Zeitung erklärte. Der Ballon sollte am Mittwoch nicht nur in die Stratosphäre aufsteigen, sondern die Kapsel sollte anschließend auch noch selbst­ständig nach Jena zurückfliegen. Man habe hierfür ein Gleitsystem entwickelt, erläuterte Student Daniel Schmidt in der OTZ die neue Aufgabe. Nachdem dem Platzen des großen Ballons sollte sich ein Gleitschirm mit 1,50 Metern Spannweite öffnen, so der Plan. Mini­motoren hätten das Gefährt dann im Gleitflug so steuern sollen, dass dieser in Jena endet.

JEZT - Wahrscheinliche Flugstrecke des Jenaer EAH Ballons - Abbildung © Webseite aprs.fi - Bearbeitung © InterJena

Wahrscheinliche Flugstrecke des Jenaer EAH Ballons (= purpur und rot) sowie die falsch angegebene Flugstrecke (= blau) – Abbildung © Webseite aprs.fi – Bearbeitung © InterJena

Doch offensichtlich stand die Mission am Mittwoch bereits vor dem Start unter einem schlechten Stern. Einer der Motoren funktionierte nicht und auch ein schneller Tausch brachte keine Hilfe, da möglicherwiese ein Platinendefekt vorlag. Schließlich startete der mit Helium gefüllte Ballon ohne die Landeeinheit und stattdessen mit einem einfachen Fallschirm ohne Steuermöglichkeit. Das zumindest soll einwandfrei funktioniert haben.

Der Kontakt mit dem Spezialhandy sei deshalb schwierig gewesen, weil es sich in das Tschechische Mobilfunknetz eingewählt hatte und sein Akku immer schwächer wurde, wie Grabow gestern erklärte. Bereits am Donnerstag Morgen machte sich daher das Bergungs-Team auf den Weg in den Großraum Prag und konnte tatsächlich die relativ kleine Box auf einem Feld bei dem Ort Chlum (= Klum) nahe Česká Lípa finden. Inzwischen ist die Forschungseinheit wieder nach Jena zurück gebracht worden, wo heute in der Ernst-Abbe-Hochschule die Daten ausgelesen werden sollen. Ein gutes Ende einer fast schon gescheiterten Mission, wie der Professor unterstrich. Und er fügte die Erkenntnis vieler Wissenschaftler an, die nun auch seine Studeirenden direkt miterlebt haben: „Misserfolg kann sehr lehrreich sein.“





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