Der 299. bis 303. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

09.08.16 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu Der 299. bis 303. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

JEZT - Inside NSU - Symbolbild © MediaPool Jena 2015

Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:

14.07.2016: Der 299. Verhandlungstag

Am 299. Tag im Münchner Prozess um die Untaten des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ stand eine Geldspende von 2.500 Euro für den NPD-Landtagsabgeordneten in Mecklenburg-Vorpommern, David Petereit, im Fokus. Dieser ließ daraufhin im Jahr 2002 eine Botschaft mit der ersten öffentlichen Erwähnung des Begriffs „NSU“ in seiner Szenepostille „Der weiße Wolf“ zu: „Vielen Dank an den NSU. Es hat Früchte getragen. Der Kampf geht weiter.“ stand da zu lesen. Zu den Fragen des Münchner Oberlandesgerichts, wie es zu der Unterstützungsleistung kam und ob Petereit im Gegenzug auch dem abgetauchten Trio half, sagte der damalige Herausgeber der Postille als Zeuge aus.

Dass er dem Vorsitzenden Richter gegenüber zur Erwähnung des „NSU“ in seiner Zeitschrift erklärte: „Mit meiner Erinnerung ist es echt schlecht heute“, reihte sich in seine vorherigen Erinnerungslücken im Zeugenstand ein. Mehr als ein: „Ich gehe davon aus, dass ich das alles reingesetzt habe“, war dem NPD-Politiker nicht zu entlocken. Vor allem, weshalb die „NSU“-Danksagung in dem Heft gewesen und wer genau für die Textstelle verantwortlich war, das könne er heutzutage nicht mehr sagen, weil er es nicht mehr wisse, so der Zeuge.

19.07.2016: Der 300. bis 302. Verhandlungstag

Tag 300 brachte einige Aufregung, denn erneut brach das Münchner Oberlandesgericht die Vernehmung von Marcel D. ab. Bei ihm ging es um die Frage, ob D. Spitzel des Verfassungsschutzes gewesen war oder nicht und – schwerwiegender – und ob er bei früheren Vernehmungen falsche Angaben gemacht hatte.

Zuletzt hatte der Zeuge aus der Thüringer Neonazi-Szene ohne Rechtsbeistand darauf beharrt, kein Spitzel des Verfassungsschutzes gewesen zu sein, während der Verfassungsschutz seinerseits erklärte, D. sei ohne Zweifel V-Mann gewesen. Dieses Mal nahm Zeuge D. seine frühere Aussage zurück und erklärte gleichzeitig, gar keine Aussage mehr zu machen. Nach eingehenden Diskussionen im Saal A101 waren sich sowohl Verteidiger als auch Nebenkläger, Bundesanwaltschaft und Senat einig, dass das derzeitige Verhalten des Zeugen das schlechtmöglichste ist.

Einig war man sich auch darin, dass der Zeugenbeistand, den Marcel D. mitgebracht hatte, ihn wohl eher schlecht beraten hatte und ihm durch sein Verhalten eine Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr drohe. Deshalb entschied das Gericht, dass der Zeuge vorläufig nach Haus geschickt wird, mit der Ankündigung: Er werde wiederkommen müssen.

Der Abgeordnete im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, David Petereit (NPD), ist am 21.03.2013 im Landtag in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) zu sehen | Bild: picture-alliance/dpa zum Artikel NSU-Prozess, 297. Verhandlungstag NPD-Mann mit Erinnerungslücken

Anschließend nahm die Bundesanwaltschaft zu mehreren Beweisanträgen der Verteidigung Wohlleben Stellung, die sie allesamt für unbegründet hält. Und ein Vertreter der Nebenklage reagierte mit einem Beweisantrag auf die Verlesung mehrerer Texte Ralph Wohllebens am 299. Verhandlungstag, mit denen dessen Verteidigung beweisen wollte, ihr Mandant sei gar nicht ausländerfeindlich gewesen. Es wurde beantragte, andere Dateien von der Festplatte Wohllebens in Augenschein zu nehmen – insbesondere unzählige Neonazi-Musik-Stücke, die durchsetzt seien von Ausländerhass, antisemitischer Hetze und Gewaltphantasien gegenüber Minderheiten. Auch diese ließen Rückschlüsse auf die wahre Gesinnung Ralph Wohllebens zu.

Drei Zeugen mussten am 301. Tag des „NSU“-Prozesses zu einem lange zurückliegenden Ereignis aussagen: In den neunziger Jahren gingen Neonazis an einer Straßenbahnhaltestelle im Jenaer Stadtteil Winzerla auf eine Gruppe Jugendlicher los – beteiligt gewesen sein sollen auch das Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe. Die Schlägerei endete mit schweren Verletzungen für die Opfer. Von der Tat berichtet hatte der Mitangeklagte Carsten Sch#ltz# in seiner Aussage vor Gericht.

An Tag 302 war ein Ermittler des Bundeskriminalamts geladen, der über die Identifizierung von Beteiligten des „NSU“-Komplexes anhand von Fotos berichtete. Immer wieder wurden im Zuge von Ermittlungen Zeugen Bilder von möglichen Unterstützern und Tätern vorgelegt, um auf deren Verstrickung in die Taten der Terroristen zu schließen. Die Identifizierungen gelten damit als wichtiges Beweismittelim Prozess.

26.07.2016: Der 303. Verhandlungstag

Paukenschlag an Tag 303: Das Oberlandesgericht München schloss RA Egbert Gueinzius als Anwaltsbeistand eines Zeugen vom Verfahren aus. Nach Einschätzung von Prozessbeteiligten muss der Anwalt außerdem mit strafrechtlichen Ermittlungen und einem standesrechtlichen Verfahren rechnen – der Vorwurf lautet: Anstiftung zur falschen uneidlichen Aussage. Das Gericht brach die Vernehmung des von im beratenen Zeugen ab; dieser muss im September erneut aussagen. Was war geschehen: Der Zeuge Torsten W. hatte zu Beginn der 2000er Jahre in Wolfen (Sachsen-Anhalt) eine rechtsradikale Szenezeitschrift herausgegeben. Im Jahr 2002 erhielt er einen anonymen Brief, der ein Din A4-Blatt und einen 500-Euro-Schein enthalten habt. Dies gab W. vor Gericht zu und er erkannte diesen Brief auch wieder, als der Richter ihn zeigte. Auf ihm ist seit dem Bekenner-Video des „NSU“ bekannte Logo aus den drei ineinander verschlungenen Buchstaben zu sehen, darunter ein Text, in dem der „NSU“ über das Thema „Sieg oder Tod“ schreibt.

In der Vernehmung machte Torsten W. gegenüber dem Vorsitzenden Richter immer wieder Gedächtnislücken geltend – vor allem bei Fragen dazu, mit wem er über den Brief gesprochen habe und wer noch von der Existenz des „NSU“ gewusst haben könne. Dann der Eklat: Als Staatsanwalt Jochen Weingarten den Zeugen nach den Namen früherer Freunde fragte,  soll der Anwalt seinem Mandanten zugeflüstert haben: „Sagen Sie, dass Sie sich nicht erinnern.“ Mehrere Prozessbeteiligte in Hörweite bestätigten gegenüber der Strafkammer diese Worte. Weingarten warf dem Anwalt daraufhin vor, den Zeugen zur Falschaussage angestiftet und damit eine Straftat begangen zu haben. Folge war der Ausschluss vom Prozess.

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