Der Musikkünstler: Zum Tode von CAN-Bassist und „Tausendsassa“ Holger Czukay

07.09.17 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, RADIO JENA, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu Der Musikkünstler: Zum Tode von CAN-Bassist und „Tausendsassa“ Holger Czukay

Holger Czukay auf dem Cover seines Albums Der Osten ist Rot

Radio Jena Newscontainer Logo 230Der große alte Mann des Krautrock, Holger Czukay, früherer Bassist der Krautrockband CAN, ist am Dienstag bei sich zu Hause (= dem ehemaligen Bandstudio bei Weilerswist nahe Köln), im Alter von 79 Jahren verstorben. Dies gab die Band auf Facebook bekannt. Über die genaue Todesursache herrscht noch keine Klarheit, jedoch hätte Czukay gesundheitliche Probleme, seit seine Ehefrau vor wenigen Wochen gestorben war. „Holger war wegen des Verlusts seiner geliebten Partnerin am Boden zerstört“, so die Facebook-Mitteilung weiter. Sein Ableben sei „ein Schock“.

Als Mitbegründer der international wegen ihrer Innovationskraft ebenso erfolgreichen wie geschätzten Kölner Band war es Holger Czukay bereits im Januar sehr nahe gegangen, als überraschend sein langjähriger Freund und CAN-Schlagzeuger Jaki Liebezeit im Alter von 78 Jahren den Folgen einer Lungenentzündung erlag. Beide mixten gemeinsam mit Gitarrist Michael Karoli († 2001) und Keyboarder Irmin Schmidt in den 1970er und 1980er Jahren Elemente des Free Jazz mit denen der Klassik und des Rock, arbeiteten mit komplexen Rhythmen und Harmonien, wobei es Czukay zukam, mit elektronischen Effekten dem heutigen Elektropop den Weg vorzuzeichnen, weswegen CAN heute noch von vielen Musikern und Bands als Quelle der Inspiration genannt wird.

1938 in Danzig geboren, kam Czukay bereits in seiner Jugend nach Deutschland und studierte später u.a. bei dem Karlheinz Stockhausen und erarbeitete sich dort Grundlagen der elektronischen Musikkomposition. Und avantgardistisch arbeitete er auch später, ob in der Band oder bei seinen Solo-Projekten. Mit Blechblasinstrumenten, Diktiergeräten und Kurzwellenradios baute er in akribischer Bandschneide-/Klebetechnik teilweise Ton für Ton zusammen und schuf so fremdartige Tonatmosphären.

Aber Holger Czukay besaß auch großartig-subversiven Humor. Sein 1984 veröffentlichtes Album „Der Osten ist Rot“ enthielt beispielweise einen Song, bei dem es hieß: „Hier spricht der Anrufbeantworter der Katholischen Kirche. Unser Beichtstuhl ist vorübergehend nicht besetzt. Für dringende Fälle steht Ihnen unser automatischer Sündenspeicher zur Verfügung. Die Absolution wird Ihnen per Nachnahme zugestellt. Bitte beichten Sie jetzt.“ – Die Kirche war – natürlich – „not amused“ und lief Sturm gegen die Platte.

„Sounds vom Synthesizer“-Moderator Rainer Sauer: „Czukay und Liebezeit waren eine der ungewöhnlichsten Rhythmusgruppen der Deutschen Progressiven Musik. Dass wir nun beide verloren haben, schmerzt. In meiner Premierensendung bei hr3 hatte ich bereits Musik von Holger Czukay mit im Programm. Wegen ihm baute ich die chinesische Nationalhymne an den Anfang des Songs „Machines“ aus meinen alten OZ-Zeiten. Für mich war er vor allem ein Soundmanipulator, der aus jeglicher Klangquelle etwas zusammenbasteln konnte, Kurzwellenradios und Tonbandgeräte zu einer frühen Form des Samplings kombinierte. Holger Czukay gehört mit und ohne CAN zum Kanon der experimentellen Musik aus Deutschland.“





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