„Ein Quantum Trost“: Edgar Froeses musikalisches Vermächtnis zum 50. Bandjubiläum von TANGERINE DREAM

14.10.17 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, RADIO JENA, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu „Ein Quantum Trost“: Edgar Froeses musikalisches Vermächtnis zum 50. Bandjubiläum von TANGERINE DREAM

Edgar Froese sagte: „Es gibt keinen Tod, nur einen Wechsel der kosmischen Adresse“.  Nun weilt er nicht mehr uns, dies schon seit Anfang 2015. Und doch gibt es ihn noch und zwar in seinen unvollendeten Werken. Schon schwer von körperlich-gesundheitlichen Problemen gezeichnet arbeitete der gebürtige Ostpreuße als anerkannter Meister der elektronischen Musik Marke „Berliner Schule“, die ganz wesentlich durch ihn mitgeprägt worden war, bis zuletzt an seinem neuen Konzept, mit dem er die „Quantum Years“ einläuten wollte: eine musikalisch-künstlerische Mischung aus naturwissenschaftlicher Quantenphysik und spirituell-emotionaler Quantenphilosophie.

Einst fand er seine ganzheitliche Lebenseinstellung in der Unwirklichkeit seines Idols Salvador Dali, auf dessen Landsitz in Cadaqués Edgar F. Junior bereits 1966 Hauskonzerte für Dalis surreale Gesellschaften gab. Auf den Essener Jazztagen stellte er 1967 mit Bassist Kurt Herkenberg (später bei INTERZONE) seine eigene Band TANGERINE DREAM / TD vor – ein Musikkollektiv, dem später auch Konrad Schnitzler an Tasteninstrumenten und Elektronik und der Schlagzeuger Klaus Schulze angehörten. Ihr experimentelles Erstlingswerk von 1970 hieß so, wie das Programm von Froeses damaliger TD-Musik: „Electronic Meditation“. Die Nachfolgealben „Alpha Centauri“ (1971), „Zeit“ (1972) und „Atem“ (1973), allesamt bereits mit Chris (später: Christopher) Franke – Froeses kongenialem Partner bis zum Jahre 1987 – waren zwar experimentell-gefälliger Krautrock im Stil der damaligen Zeit, aber bei weitem noch nicht das, was sich Edgar Froese musikalisch vorstellte.

Mit dem Wechsel von der deutschen Plattenfirma Ohr/Kosmische Kuriere zu den britischen Virgin Records kam 1974 der zuerst künstlerische, später dann auch kommerzielle Erfolg. Die ersten vier Virgin-Alben „Phaedra“ (1974), „Rubycon“ (1975), „Ricochet“ (1975) und „Stratosfear“ (1976) mit ihrem Moog-Modular-Synthesizer-Sounds zählen bis heute sowohl zu Klassikern des Genres als auch der TANGERINE DREAM Historie. Alles weitere kann man gern u.a. bei Wikipedia nachlesen oder regelmäßig bei Radio Jena hören. Später brillierten Froese und Co. vor allem bei Filmmusiken u.a. mit den Alben „Sorcerer“/“Atemlos vor Angst“ (1977), „Thief“/“Der Einzelgänger“ (1981), „Tatort: Das Mädchen auf der Treppe“ (1982), „Risky Business“/“Lockere Geschäfte“ (1983), „Firestarter“/“Der Feuerteufel“ (1984) und „Legend“/“Legende“ (1986). Dagegen waren die 1990er- und 2000er- Jahre eher ernüchternd für Edgar Froese und seine Ideen, heißt: viele Alben von TANGERINE DREAM verkauften sich nur noch mäßig.

Im Jahr 2000 starb schließlich Edgar Froeses erste Frau Monika (auch Monique genannt), die ihn seit den 1960er-Jahren künstlerisch und als Inspiration begleitet hatte, nach langer Krankheit. Auch mit seiner zweiten Ehefrau Bianca Acquaye teilte Froese bis zu seinem Tod die Liebe zur Kunst, hatte wegen ihr aber heftige Differenzen mit seinem Sohn Jerome, der seit 1990 Mitglied bei TANGERINE DREAM war, die Band aber 2006 verließ. Anfang 2013 erlitt Edgar Froese einen schweren Unfall, bei dem er sich erhebliche Kopfverletzungen zuzog und ein halbes Jahr im Koma lag. Durch den bei dem Unfall erlittenen Kieferbruch konnte er anfangs weder essen noch sprechen und hatte bis zuletzt erhebliche Probleme, sich zu artikulieren. 2014 ging er mit TD auf eine Farewell-Tour und arbeitet im Studio u.a. mit Synthimusik-Legende Jean-Michel Jarre für dessen Album „Electronica“ zusammen. Noch immer nicht gesundet, aber trotzdem völlig überraschend, verstarb Froese am 20. Januar 2015 im Alter von 70 Jahren an einer Lungenembolie.

Nun schließt sich der Kreis seines Wirken, denn mit „Quantum Gate“ erschien am 29. September 2017 – TANGERINE DREAMS 50. Bandgeburtstag – das unwiderruflich letzte Studioalbum von TD. Auf den neun letzten Stücken webt Edgar Froese ein letztes Mal seine melodischen Themen mit pulsierenden Rhythmen zu mystisch-flächigen Klanglandschaften von insgesamt rund 70 Minuten Spielzeit. Froeses Witwe Bianca – als seine Nachlassverwalterin nicht nur zuständig für Fotos und Coverartwork sondern auch das Albumkonzept und die Auswahl der Songs – schuf mit Hilfe von Thorsten Quaeschning, dem langjährigen Partner der späten TD-/Froese-Jahre, und den Musikern Ulrich Schnauss (Elektronik) und Hoshiko Yamane (Cello und Violine) ein dramaturgisch gelungenes Ganzes, das Froeses letzte musikalische Ideen würdigt und nie fremd-lenkt (wie es leider bei so vielen posthum erschienene Werken anderer Künstler der Fall ist).

Damit bleibt Edgar Froese als der Erfinder der „Quantum Gate“-Musik markant-erkennbar und hie und da führen Quaeschning und Co. die charakteristischen schwebendem Einschübe seiner Synthie- und Piano-Harmonien treffsicher weiter, wie es Froese wohl selbst nicht besser hätte machen können, um Dinge zu verbinden, damit aus musikalischen Einzelteilen Spannungsbögen entstehen. So kann man den letzten Akt im TANGERINE DREAM Kanon durchaus als gelungen klassifizieren: ein Froese-Spätwerk, bei dem sich das Anhören lohnt.

Am Sonntag, den 15.10.2017 sendet ZONO Radio Jena ab 20.00 Uhr das Album „Quantum Gate“, das 2010er-„Zeitgeist“-Konzert von TANGERINE DREAM aus der Royal Albert Hall in London und ein „Sounds vom Synthesizer“ Special aus dem Jahre 1975 mit einem langen Interview mit Edgar Froese.

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