„Le cascadeur de la vérité“: Wie ein parteiloser OB-Kandidat an sich selbst scheitert (2/3)

13.04.18 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu „Le cascadeur de la vérité“: Wie ein parteiloser OB-Kandidat an sich selbst scheitert (2/3)

Eines der geteilten Statement auf Arne Petrichs Facebookseite

[LESEN SIE HIER TEIL 1 DES ARTIKELS] – Inzwischen hat Arne Petrich seinen OB-Wahlkampf so gut wie eingestellt: Auf seiner Wahlwebseite erscheinen keine aktuellen Artikel mehr und auch auf seiner Facebook-Seite hat der unabhängige OB-Kandidat die Arbeit eingefroren, postet dafür Statements Dritter – von Traudel Zölffel bis Charlie Chaplin – zwangsweise begleitet vom hämmernd-lärmenden Lieblingslied aller „Silver Surver“.

Zudem verweigerte sich Petrich – und das obwohl er erklärt hatte, dass die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Jena eines seiner wichtigsten Wahlkampfthemen sei – dem Aufruf des Mietervereins Jena und machte sich nicht die Mühe, die Fragen der Mietervereinigung zu beantworten. Im JenaTV-Interview wirkte der Blogger und Immobilienunternehmer teilweise schlecht vorbereitet und fahrig (siehe zum Vergleich das Interview mit FDP-OB Kandidat Dr. Thomas Nitzsche), bezeichnete dafür die Ostthüringer Zeitung als (O-Ton Petrich, in der Folge stes kursiv geschrieben) „widerwärtig“ und „verantwortungslos“.

Und dann dies: Bis heute kann man auf seiner Wahlwerbeseite folgendes Versprechen lesen „Jenapolis.de leitet mindestens bis zur Wahl auf meine Seiten weiter, denn ich möchte ehrlich und fair bleiben und meine Medien nicht für den Wahlkampf nutzen!“. Eingehalten hat Arne Petrich dieses Versprechen an seine potentiellen Wählerinnen und Wähler nicht, denn zum einen gibt es Jenapolis seit März wieder als eigenständigen Blog, zum anderen erschienen auf seinen Medien Jenapolis und Immojogger seit Wochen regelmäßig Wahlkampf-Artikel von Unterstützern aus seinem Team oder ihm selbst*, dies obwohl es ihm als für den Inhalt Verantwortlichen nach dem Kodex des Deutschen Presserates** untersagt ist, ohne klarstellenden Hinweis private Interessen mit redaktionellen Inhalten zu vermischen. Ein merkwürdiges Vorgehen für jemanden, der zu gleicher Zeit einem Organ der Printpresse die Ethik des Presserats unter die Nase rieb.

Das war einmal: Arne Petrich besucht den Jenaer Stadtrat. Schon seit Monaten wohnt der parteilose OB-Kandidat nicht mehr persönlich den Sitzungen bei. – Foto © MediaPool Jena

Was spielt es da noch für eine Rolle, dass sein Wahlprogramm des Umstiegs von Jena zu einer Bürgerstadt bis heute nicht wirklich überzeugen kann und Petrich angekündigte Konzepte (z.B. zur Sportstadt Jena) sowie die Gesamtkosten seiner Ideen schuldig bleibt. Ebenfalls überrascht es kaum, dass fast alle von Petrichs Vorwürfen gegen den amtierenden Oberbürgermeister oder Stadtentwicklungsdezernent Peisker haltlos waren und rasch widerlegt wurden. Arne Petrich, der das Ziel hat, in Jenas höchstes Bürgeramt gewählt zu werden, sieht sich bei all dem aber überhaupt nicht als Verursacher seiner Schwierigkeiten sondern bevorzugt die Opferrolle: ein aggressiver Stolz auf die eigenen Gewissheiten, die nicht einmal durch besseres Wissen zu trüben sind.

Schaut man sich seine drei groß angelegten Online-Petitionen („Klarer können Aufträge durch Bürger nicht formuliert sein!“) an, die noch vor fünf Jahren ein Petrich-Selbstläufer im Wahlkampf gewesen wären, stellt man fest, dass diese Angebote nur von ganz wenigen Menschen wahrgenommen werden: Das Bittgesuch zum Fußballstadion hat seit genau zwei Monaten nur ein einziger Bürger unterstützt und der ist Unterzeichner Nummer fünfzehn. Petrichs Eingabe zum Bau der Sportschwimmhalle hat kaum mehr als zwei Dutzend Unterstützer, wohingegen die „echte“ Online-Petition zum Schwimmhallen-Neubau bereits mehr als 3.200 Jenaerinnen und Jenaer unterzeichnet haben. Und seine Eichplatz-Initiative finden insgesamt nur 27 Menschen gut. Gleiches Bild auf des Kandidaten Soundcloud Account, den exorbitant wenige Menschen nutzen. Auch hier zum Vergleich: die Faszination des Radio Jena Podcasts bei Soundcloud mit den OB-Kandidaten-Diskussionen der Initative Innenstadt, des Seniorenbeirats und dem STEB wollten in den letzten rund vier Wochen schon mehr als 370 Hörer erleben. – Bleibt die Frage: Woher kommt diese Ablehnung vieler Menschen für Arne Petrich und seine Konzepte?

An Spekulationen über die Anzahl von Wählerinnen und Wählern, die am Sonntag ihre Stimme für den parteilosen Blogger und Immobilien-Unternehmer abgeben werden, möchte ich mich nicht beteiligen, jedoch kann man/frau davon ausgehen, dass sie „megamäßig“ sein wird (als Progression von „mäßig“). Aber ich darf hier sagen: Solche Menschen wie Mr. Jenapolis, wie er sich auch nennt, gab es schon früher und es wird sie wohl immer geben. Menschen, die davon ausgehen, dass ihnen und ihren Ideen ohne großes eigenes Zutun, die Herzen und Sympathien der „schweigenden Mehrheit“ einfach so zufliegen, weil das, was sie wollen, doch so logisch ist, dass es alle kapieren müssen. Menschen, die sich selbst bewundern und für besser halten, als den Rest der Gesellschaft, die den höchsten Berg der Erde besteigen wollen, ohne bergsteigerische Erfahrungen zu haben.

Doch ich habe in meinen mehr als drei Jahrzehnten Arbeit als Musikjournalist oft genug hoffnungsvolle Talente und Bands gesehen, die einfach verpufften, weil sie an ihrer Eigenwerbung scheiterten. Oder andere, die von den Fans geliebt wurden und dennoch mit einigen, wenigen, unüberlegten Aktionen alles verspielten. Man muss dazu wissen: Fans sind ungnädig und verspielte Sympathien, abhanden gekommenes Vertrauen, verlorene Leser, kann man nur ganz schwer wieder zurück gewinnen. Ohne harte persönliche Arbeit an der Basis überhaupt nicht.

[FORTSETZUNG FOLGT AM SONNTAG]

 


* = siehe z.B. HIER, DORT , DA , AN DIESER STELLE oder BEI JENEM ARTIKEL.

** = Ziffer 7 des Pressekodex des Deutschen Presserats (Zitat): „Verleger und Redakteure achten auf eine klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Veröffentlichungen zu werblichen Zwecken. Bei Veröffentlichungen, die ein Eigeninteresse des Verlages betreffen, muss dieses erkennbar sein.“

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