Das Ende im Münchner „NSU“-Prozess: Die Verhandlungstage Nr. 427 bis 432

25.06.18 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKommentare deaktiviert für Das Ende im Münchner „NSU“-Prozess: Die Verhandlungstage Nr. 427 bis 432


Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:

17.05.2018: Der 427. Verhandlungstag

Der 427. Tag im „NSU“-Prozess vor dem Oberlandesgericht München war ein Tag der Provokationen durch die Wohllebens Verteidiger. Zuerst verglich RA Olaf Klemke in seinem Plädoyer Oberstaatsanwalt Weingarten mit der Nazi-Größe Hermann Göring, denn (so Klemke) „wie Göring gesagt hatte, wer Jude ist, bestimme ich“, beanspruche Weingarten für sich, „wer Nazi ist, bestimme ich“. Dann präsentiert der dritte Wohlleben-Verteidiger, Wolfram Nahrath, einen Schlussvortrag prallvoll mit rechtsextremer Agitation. Der ehemalige Anführer der 1994 verbotenen Wiking Jugend zitiert nacheinander leicht pathetisch Adolf Hitler, Rudolf Heß und weitere Nazionalsozialisten mit Worten wie: „Unsere Bewegung hat Gewalt nicht nötig“ und „Ich will den Frieden“. Die Absicht war unschwer zu erkennen: Nahrath beabsichtigts auf diese Weise darlzulegen, dass ein Nationalsozialist nicht zwangsläufig zur Gewalt neigen müsse, weshalb auch der Mitangeklagte Ralf Wohlleben im grunde „ein friedfertiger Mensch“ sei.

Nahrath versucht auch den verbalen Spagat einer Kritik am „NSU“ aus rechtsextremer Perspektive. Mundlos und Böhnhardt seien für ihn „keine Nationalsozialisten, sondern Psychopathen, denen es um Nervenkitzel ging. Ich wage die Wertung, dass der NSU gewiss U war, aber nicht NS“, rief Nahrath in den Saal. Am Ende seines Plädoyers fordert er, wie schon seine Kollegen Klemke und Nicole Schneiders, den Strafsenat auf, Wohlleben freizusprechen und unverzüglich aus der Untersuchungshaft zu entlassen.

05.06. bis 07.06.2018: Der 428. bis 430. Verhandlungstag

Als letzte Verteidigergruppe begannen in der 23. Woche des Jahres Zschäpes Altanwälte Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm ihr Plädoyers. Heer trug auch im Namen der beiden anderen Anwälte vor und verkündete, dass seine Mandantin keine Terroristin sei, keine Mörderin und keine Attentäterin. Der Anwalt fordert, Zschäpe im Falle aller Staatsschutzdelikte freizusprechen und deshalb „sofort aus der Untersuchungshaft zu entlassen“. Eine Strafe hält Heer nur für angesichts der Brandstiftung in Zwickau für notwendig. Aber auch hier hält der Verteidiger Beate Zschäpes Schuld für weit weniger gravierend, als es die Bundesanwaltschaft tue. Heer ging auch auf die „Verteidiger-Krise“ ein. Im Sommer 2015 hatte sich Zschäpe mit Heer, Stahl und Sturm überworfen. Richter Götzl ordnete dann den Münchner Anwalt Mathias Grasel der Angeklagten als vierten Pflichtverteidiger bei. Grasel und sein Kanzleikollege Hermann Borchert initiierten die Einlassung Zschäpes, obwohl Heer, Stahl und Sturm zuvor konsequent eine Schweigestrategie verfolgt hatten. Heer appelliert daher an den Strafsenat, Zschäpes „schlecht erarbeitete Erklärung zur Sache“ nicht als Tatnachweis zu interpretieren

Zschäpes Altverteidiger Heer setzte an Verhandlungstag 429 sein Plädoyer fort und äußert sich umfassend zur Brandstiftung in Zwickau am 4. November 2011, dem letzten Tag des „NSU“. Zschäpes Anwalt versuchte, anhand der Aussagen von Zeugen und Sachverständigen die These der Bundesanwaltschaft zu erschüttern, seine Mandantin habe vorsätzlich auch eine Explosion herbeigeführt und damit einen dreifachen Mordversuch begangen. Aus Sicht des Anwalts habe Zschäpe die Verpuffung der in der Wohnung verschütteten zehn Liter Benzin nicht vorhersehen können. Ein Tötungsvorsatz ist für Heer weder im Fall Charlotte E. noch mit Blick auf die Handwerker zu erkennen. Er plädierte so umfangreich, dass es ihm auch am zweiten Tag nicht möglich war, das gemeinsam mit den Co-Verteidigern Wolfgang Stahl und Anja Sturm erarbeitete Plädoyer zu beenden; Stahl und Sturm werden dann jeweils ihren Part in der 24. Woche vortragen.

Zschäpes Alt-Verteidiger Wolfgang Heer warft am dritten Tag seines Plädoyers der Bundesanwaltschaft und dem Strafsenat schließlich einen aus seiner Sicht gravierenden Fehler zum Nachteil der Angeklagten vor. Ankläger und Richter hätten es versäumt, frühzeitig die Zeugin Charlotte E., der alten, gebrechlichen Nachbarin, zum Brand in Zwickau zu vernehmen. Zschäpe soll, bevor sie am 4. November 2011 die Wohnung in der Frühlingsstraße 26 anzündete, bei der  geklingelt haben, um sie vor dem Feuer zu bewahren. Heer erklärte, der Strafsenat werde bei seiner Beweiswürdigung in besonderem Maße zu berücksichtigen haben, dass die Zeugin „aufgrund des Unterlassens“ der Bundesanwaltschaft, eine ermittlungsrichterliche Vernehmung zu beantragen, „aber auch infolge seiner eigenen Passivität erst dann richterlich vernommen wurde, als sie längst nicht mehr vernehmungsfähig war“, weshalb seine Mandantin somit „wesentlich in ihren Verteidigungsrechten beschränkt“ worden sei. Für ihren Anwalt ist klar, dass Zschäpe vor der Brandstiftung die Abwesenheit der üblicherweise geräuschintensiv arbeitenden Handwerker mitbekommen hatte. Deshalb falle auch in diesem Fall ein Tötungsvorsatz weg, so Heer.

12.06. und 13.06.2018: Der 431. und 432. Verhandlungstag

Wolfgang Stahl setzte am 431. Verhandlungstag im Münchner Prozess zu den Taten des „Nationalsozialischen Untergrunds“ das Plädoyer der Altverteidiger Zschäpes fort. Er warf der Bundesanwaltschaft mangelnde Empathie für Zschäpe und einen Hang zum „Feindstrafrecht“ vor. Die Angeklagte werde mit der „Grundprämisse“ beurteilt, so Stahl, „wer über so lange Zeit mit Verbrechern zusammenlebt, muss selbst Verbrecher sein“. Aus Sicht des Anwalts reichen die Indizien nicht aus, den Vorwurf der Mittäterschaft Zschäpes bei allen Verbrechen des NSU zu belegen.

Stahl ging dizidiert unter anderem auf die Argumente der Bundesanwaltschaft zur Beteiligung Zschäpes an der Beschaffung von Waffen oder der Mitarbeit bei der Erstellung eines Zeitungsarchivs mit Pressetexten zu den Anschlägen des „NSU“ ein. Mehrmals verwies er auf negative Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Gerichtsurteilen, in denen es um die Mittäterschaft von Angeklagten ging. Ein Wink an die Richter in München – die Kollegen in Karlsruhe werden über die zu erwartende Revision von Verteidigern nach dem Urteil im „NSU“-Prozess entscheiden.

Tag 432: Zschäpes Altverteidigerin Anja Sturm begann ihren Part des gemeinsamen Plädoyers mit Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl. Sturm ist damit die letzte Verteidigerin, im „NSU“-Prozess, die plädiert – das Ende des Prozesses mit dem Urteil über die fünf Angeklagten Beate Zschäpe, Ralf Wohlleben, Holger Gerlach, Carten Sch#ltz# und André Em#ng#r rückt näher. Die Anwältin erklärte, dass sie, selbst für den Fall einer Verurteilung der Angeklagten zur Höchststrafe, eine anschließende Sicherungsverwahrung ablehne und betonte, Zschäpe habe „die innere Sicherheit der Bundesrepublik nicht gefährdet“. Der „NSU“ habe allein aus den „schwerstkriminellen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestanden“, so Sturm, die am Nachmittag jedoch überraschend aus gesundheitlichen gründen das Plädoyer abbrechen musste. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl vertagte daraufhin den Fortgang der Hauptverhandlung auf den 19.06.2018.


MEHR INFORMATIONEN ERHÄLT MAN IN DER

JEZT - RADIO LOTTE Mediathek ... klick!





Kommentarfunktion derzeit ist geschlossen.

« »


JENAhoch2 | Omnichannel-Media für Stadt und Region