Der 291. bis 298. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

11.07.16 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu Der 291. bis 298. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

JEZT - Inside NSU - Symbolbild © MediaPool Jena 2015

Zusammengefasst aus Pressemeldungen:

21.06./22.06.2016: Der 291. und 292. Verhandlungstag (Anm.: Tag 293 ist ausgefallen)

Auch Fingerabdrücke spielen in der Beweiskette des „NSU“-Prozesses eine Rolle, wie Tag 291 zeigte. So hat die Hauptangeklagte Beate Zschäpe Spuren auf Zeitungsartikeln hinterlassen, die in der letzten Wohnung des Trios in der Frühimgsstraße in Zwickau aufgefunden worden waren, wie ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) als Zeuge aussagte. Er berichtet ausführlich zur Lage der Abdrücke auf verschiedenen Asservaten.

Eine Ermittlerin der Duisburger Polizei wurde am 292. Tag des „NSU“-Prozesses als Zeugin befragt und gab Auskunft über Ermittlungsergebnisse zum Mord an Halit Yozgat in Kassel am 6. April 2004. Die Polizistin hatte unter anderem im Kreise der Freunde des Opfers ermittelt. Auf sie folgte als Zeuge der frühere V-Mann Marcel D., der bereits zwei Mal zuvor im Münchner Prozess aussagte und trotz relativ eindeutiger Belege stets bestritten hatte, als Informant für den Thüringer Verfassungsschutz gearbeitet zu haben. D. stritt erneut eine Zusammenarbeit ab und wurde dann zu seiner Rolle im rechtsextremen Netzwerk „Blood & Honour“ befragt werden, in dem er seinerzeit Leiter einer Landessektion war. Daran, dass er zweimal Spenden aus rechtsextremen Konzerten an das „NSU“-Trio weitergeleitet haben soll, konnte sich D, nach eigenen Angaben nicht erinnern..

28.06./29.06./30.06.2016: Der 294. bis 296. Verhandlungstag

Am 294. Verhandlungstag im „NSU“-Prozess wurde ein ehemaliger Häftling als Zeuge zu einem vertraulichen Gespräch, das er im Gefängnis mit dem Neonazi-Zeugen und Geheimdienstspitzel Tino Brandt geführt haben will, befragt. Hierbei streute er Zweifel an der Glaubwürdigkeit Brandts. Das rund einstündige Gespräch, das er mit Tino Brandt geführt haben will, erschien ihm – laut eigener Aussage – so brisant, dass er eine Notiz darüber fertigte. Nach seiner Entlassung aus der JVA vertraute er sich erst seinem Verteidiger und seiner Lebensgefährtin und schließlich dem OLG an.

In einer ausführlichen Befragung durch den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl sowie die Verteidiger des Mitangeklagten Ralf Wohlleben berichtete der Zeuge unter anderem, Brandt haben ihm gesagt, Gelder des Thüringer Heimatschutzes seien direkt an den „NSU“ geflossen. Das Geld soll außerdem von gleich drei Boten überbracht worden sein, so der Zeuge. Bislang waren nur zwei Geldboten bekannt: der Jenaer Neonazi André Kapke und der in München Mitangeklagte Carsten Sch#ltz#. Der Zeuge lieferte darüber hinaus Einblicke in Brandts Gedankenwelt, die von Ausländerhass und Missachtung der Justiz geprägt sei. So soll er im „NSU“-Prozess eine Hepatitis-Erkrankung vorgetäuscht haben, um nicht aussagen zu müssen.

Zum Abschluss des Verhandlungstages startete die Wohlleben-Verteidigung einen Generalangriff gegen den Mitangeklagten Carsten S. sowie gegen die BKA-Beamten, die ihn im Zuge der Ermittlungen befragt hatten. Zum Hintergrund: Carsten S. belastet Wohlleben schwer, indem er ihn beschuldigt, die Beschaffung der Mordwaffe in Auftrag gegeben zu haben. Carsten S. habe jedoch nur Erinnerungen „generiert“, die keine seien, um ihren Mandanten zu belasten, führte nun dessen Verteidigerin Nicole Schneiders in einer Erklärung aus. Ihr Mandant sei ein „vorgeschobener Sündenbock“. In ihren Einlassungen, die sich wie ein vorgezogenes Plädoyer anhörten, stellte Schneiders die These in den Raum, das Geld für die Mordwaffe könne von Brandt gekommen sein und somit „direkt vom Verfassungsschutz“. Ihr Kollege Olaf Klemke warf BKA und Bundesanwaltschaft vor, einseitig und vorteilsbeladen ermittelt zu haben. Dieses Vorgehen ziehe sich hinein bis in die Hauptverhandlung: „Wir fürchten bis ins Urteil.“

Am 29. Juni 2016 berichteten Ermittler des Bundeskriminalamts (BKA), dass die Hauptangeklagte Beate Zschäpe möglicherweise an der Herstellung des „NSU“-Bekennervideos beteiligt gewesen sein könnte. Schon bereits zuvor war spekuliert worden, dass sie diejenige Person gewesen war, die eine bestimmte TV-Sendung über den Kölner Bombenanschlag von 2004 mitgeschnitten hat. Zeitgleich waren Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt als Täter des Anschlags noch nicht wieder nach Zwickau zurück gekehrt. Demnach wäre Zschäpe vermutlich in die Tat eingeweiht gewesen – anders, als sie selbst behauptet hatte. Doch hier stehen Aussage gegen Aussage. Am 30. Juni sagt erneut eine Beamtin aus, die eingehend die Wohnumstände des Trios in Zwickau untersucht hatte. Dabei ging es um die Frage, ob damals im Wohnhaus in der Polenzstraße überhaupt das Programm des Westdeutschen Rundfunks zu empfangen war. Dort lief die mitgeschnittene TV-Sendung, die später Eingang in den Film fand. Die Ermittlerin sagte aus, dass dies möglich war; wäre ein Empfang nicht möglich gewesen, hätte dies Zschäpes Aussage gestützt.

05.07./06.07.2016: Der 297. und 298. Verhandlungstag

Am 297. Verhandlungstag vor dem OVG München gab ein Ermittler des BKA Wiesbaden Auskünfte zur Wiedersichtbarmachung einer Waffennummer auf einer im Brandschutt des „NSU“-Unterschlupfs in der Frühlingsstraße in Zwickau aufgefundenen Waffe. Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten die Produktionsnummer der Ceska herausgefeilt. Der Zeuge schilderte dem Gericht jedoch, wie die manipulierte Waffe trotzdem sehr schnell identifiziert werden konnte. Außerdem erläuterte eine Beamtin des BKA Meckenheim Ermittlungsergebnisse sowie die ergänzende Auswertungen zu den in den „NSU“-Bekennervideos verwendeten Zeitungsausschnitten.

Tag 298 im „NSU“-Prozess brachte ein Mammut-Programm fpr Zschäpes Pflichtverteidiger Mathias Grasel, denn ein Nebenklagevertreter nach dem anderen trägt der Hauptangeklagten vor, was er von ihr wissen möchte. Stunde um Stunde stellen die Anwälte der Familien der zehn Mordopfer und die Anwälte der Überlebenden der Bombenanschläge ihre Fragen vor dem Oberlandesgericht München. Dass der Senat ihnen an diesem Tag zum ersten Mal nach gut drei Jahren Gelegenheit zum Fragen gibt, nutzen sie in aller Ausführlichkeit: es gab hunderte Fragen, alle an Beate Zschäpe. Allerdings erklärte Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert gleich zu Beginn: „Es ist vorauszusehen, dass die Fragen wohl nicht beantwortet werden.“

Der Grund: Schon am Ende ihrer Einlassung im Dezember 2015 hatte Zschäpe angekündigt, ausschließlich Fragen des Gerichts, nicht aber der Nebenklagevertreter zu beantworten. Etwas anderen könnte eintreten, wenn der Senat Fragen der Nebenklagevertreter übernimmt und der Vorsitzende Richter Manfred Götzl sie ihr erneut stellt. Borchert hierzu anschließend vor dem Gerichtsgebäude: „Wenn sich das Gericht einige Fragen herauspickt und zu eigen macht, werden wir selbstverständlich unser Wort halten und die Fragen beantworten“.

Doch was wurde gefragt? – Hier einige Auszüge:

„Frau Zschäpe, haben Sie Kenntnis von weiteren Taten, die nicht in der Anklageschrift aufgeführt sind?“
„Frau Zschäpe, haben Sie Kenntnis von dem Grund, warum Mundlos und Böhnhardt nach dem Mord an Halit Yozgat soweit bekannt nicht mehr mit der Ceska 83 getötet haben sollen?“
„War nach dem Mord an Halit Yozgat in Kassel zwischen Mundlos, Böhnhardt und Ihnen ein Thema, dass sich ein Verfassungsschützer am Tatort aufgehalten hat?“
„Frau Zschäpe, woher wissen Sie, dass Uwe Mundlos die Morde fotografiert hat? Welche der Morde hat er fotografiert?“
„Frau Zschäpe, haben Sie zwischen dem 4. und 8. November 2011 Geld oder andere Gegenstände an Orten hinterlegt oder versteckt? Wenn ja, wo und was?“
„Bitte schildern Sie Ihre und die Einstellung von Mundlos und Böhnhardt zu Türken, Griechen und Juden.“
„Wie ist Ihre persönliche Einstellung gegenüber Polizeibeamten? Wie die von Mundlos und Böhnhardt?“
„Haben Mundlos oder Böhnhardt nach dem Untertauchen Beziehungen zu Frauen oder Männern geführt? Gibt es Kinder von Mundlos oder Böhnhardt?“
„Frau Zschäpe, hatten Sie Angst vor Mundlos oder Böhnhardt?“

Die ersten Stunden hörte die Hauptangeklagte aufmerksam zu, als ihr Verteidiger Mathias Grasel mitschreibt. Gegen Nachmittag mehrten sich jedoch die Wiederholungen; nicht jeder Anwalt machte sich die Mühe, bereits gestellte Fragen aus seinem eigenen Katalog zu streichen. Naturgemäß ließ da das Interesse Zschäpes nach. Am Ende des 298. Verhandlungstages fragte der Vorsitzende Richter: „Werden die Fragen sofort beantwortet?“. Die Antwort von Verteidiger Borchert: „Mit Sicherheit nicht.“ Selbst für den Fall, dass man die Fragen beantworten wolle, würde dies Monate dauern, so der Wahlverteidiger.

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