Der 305. bis 308. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

06.09.16 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu Der 305. bis 308. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

JEZT - Inside NSU - Symbolbild © MediaPool Jena 2015

Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:

01.08./02.08.2016: Der 305. und 306. Verhandlungstag

Zwischen den Verteidigern von Beate Zschäpe kam es an Verhandlungstag 305 im Münchner „NSU“-Prozes zu einer offenen Auseinandersetzung im NSU-Prozess gekommen, die zu einer Unterbrechung der Sitzung führte. Zum Eklat kam es, als Zschäpes Wahlverteidiger Hermann Borchert einen Vortrag von Zschäpe-Pflichtverteidiger Wolfgang Heer unterbrach. Dieser hatte mehrere Fragen der Nebenkläger an Zschäpe als „ungeeignet oder nicht zur Sache gehörig“ bezeichnet. Borchert file Heer ins Wort und verlangte vom Vorsitzenden Richter Manfred Götzl eine Besprechungspause. Er wolle zunächst mit Zschäpe klären, sagte Borchert, ob Heers Vortrag in deren Sinne sei. Daraufhin unterbrach das Gericht die Sitzung.

Borchert kündigte außerdem an, es werde im Laufe des Prozesstags eine neue Erklärung seiner Mandantin geben. Zschäpe ist die einzige Überlebende des „Nationalsozialistischen Untergrunds“. Die Bundesanwaltschaft hat sie als Mittäterin an den zehn überwiegend rassistisch motivierten Morden und zwei Sprengstoffanschlägen angeklagt, die dem „NSU“ angelastet werden. Die für Tag 305 angesetzte Vernehmung eines Zeugen, der im Jahr 1999 an einer Schlägerei von Jenaer Rechtsextremisten beteiligt gewesen sein soll, fiel aus, weil der Zeuge nicht erschien. Rechtsanwalt Olaf Klemke, der den Mitangeklagten Ralf Wohlleben verteidigt, beantragte, den Mann zwangsweise vorzuführen, ihm die entstandenen Kosten aufzuerlegen und ein Ordnungsgeld gegen ihn zu verhängen.

Dass auch Fragen der Gesinnung vor dem Oberlandesgericht München eine Rolle spielen, zeigte der 306. Verhandlungstag. Hier sagte ein Beamter der Jenaer Kriminalpolizei aus, der Angaben zur der Einstellung des Mitangeklagten Ralf Wohlleben gegenüber Ausländern machte. Hintergrund war, dass Wohlleben zu Protokoll gegeben hatte, er sei in seiner Zeit als junger Erwachsener nicht ausländerfeindlich gewesen und habe daher auch keinen Grund gehabt, sich an der Beschaffung der „NSU“-Mordwaffe Ceska 83 zu beteiligen. Der Polizist gab vor Gericht Äußerungen und Handlungen Wohllebens aus den neunziger Jahren wieder, die Rückschlüsse auf die damalige Meinung des Angeklagten erlaubten. Danach besaß der Angeklagte sowohl rechte Musik mit ausländerfeindlichen Texten und äußerte sich auch, z. B. bei dem von ihm veranstalteten Neo-Nazi-Musikfestival „Fest der Völker“, entsprechend.

31.08.31.08./01.09.2016: Der 307. bis 308. Verhandlungstag

Nach rund einem Monat Sommerpause nahm das Gericht im „NSU“-Prozess die Arbeit wieder auf. Dabei standen an Tag 307 mehrere Hundert Fragen an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe im Raum, gestellt von den Anwälten der Nebenklage. Zschäpe und ihre neuen Anwälte hatten sich vorbehalten, darauf Antworten zu liefern, weshalb Zeugen für diesen Tag nicht geladen waren. Basis der Antworten waren Anfragen der Opferanwälte vom Juli.

Unter anderem hatten sich die Anwälte erkundigt, wie der „NSU“ seine Opfer ausgesucht hatte oder wer das „NSU“-Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe aus der rechten Szene heraus unterstützt hatten. Außerdem war angefragt worden, wie Zschäpe und ihre beiden terroristischen Freunde über Ausländer dachten. Zschäpes Anwalt Hermann Borchert hatte zwar angekündigt, dass es Monate dauern könnte, die Antworten schriftlich zu formulieren, denn Beate Zschäpe lässt nur ihre Verteidiger für sich sprechen, doch wurde erste Antworten verlesen.

Am Nachmittag des 307. Verhandlungstags war ein BKA-Beamter im Zeugenstand, der nach einer unbekannten „NSU“-Tat suchen sollte. Seine Ermittlungsergebnisse erscheinen den Prozessbeobachtern aber eher oberflächlich. Anlass war die Aussage des Mitangeklagten Carsten Sch#ltz# im „NSU“-Prozess gewesen, dass ihm der ebenfalls mitangeklagte Ralf Wohlleben erzählt habe, die untergetauchten Neonazis Mundlos und Böhnhardt hätten „jemanden angeschossen“. Nach Sch#ltz#s Aussage grenzten die Ermittler den Zeitraum, in dem die mögliche „NSU“-Tat liegen könnte, ein und baten die Landeskriminalämter um Unterstützung.

Diese überprüften ihre ungelösten Fälle und meldeten alle, die aus ihrer Sicht in Frage kamen, an das Bundeskriminalamt. Etwa 80 Fälle landeten so beim BKA, schilderte der zuständig Kriminalisten als Zeuge im Prozess. Und der sagte aus, das Bundeskriminalamt habe diese mit dem Vorgehen der beiden Täter bei den bekannten „NSU“-Taten verglichen mit dem  Ergebnis: Keine der gemeldeten ungeklärten Taten passe aus Sicht des BKA zu der Aussage, dass Mundlos und Böhnhardt jemanden angeschossen hätten.

Das allerdings führte zu Rückfragen zu den angewandten Vergleichsmethoden. Einige der ungeklärten Taten, seien ausgeschlossen worden, so der zeuge, weil bei ihnen die Täter den Opfern vor der Ermordung Anweisungen erteilten. Das passe „nicht zum Modus Operandi des NSU“, sagte der BKA-Ermittler im Zeugenstand, doch lag er damit offensichtlich falsch. Im Rostocker Mordfall Turgut wird davon ausgegangen, dass Mundlos und Böhnhardt ihr Opfer aufforderten, sich hinzuknien, was ihm der Anwalt der Familie Turgut vorhielt.

Kritik am BKA kam auch wegen der Verfahrensweise der einzelnen Landeskriminalämter. So hatte beispielsweise das LKA Berlin ausschließlich ungeklärte Mordfälle an das Bundesamt weiter gemeldet – dies obwohl Carsten Sch#ltz# ausdrücklich  davon gesprochen hatte, dass eine Person angeschossen worden sei. Ob er da nicht mal nachgefragt habe, wollte ein Nebenklage-Anwalt von dem Zeugen wissen. Nein, das habe er nicht, sagte der BKA-Ermittler aus.

Zeuge im Prozess war am 308. Verhandlungstag ein Chemnitzer, der sich vor Gericht selbst als Skinhead bezeichnete. Er wuchs in den 1990er Jahren gemeinsam mit einem Teil der Angeklagten im Jenaer Stadtteil Winzerla auf und wurde zu einer möglichen Schlägerei 1998 oder 1999 an einer Straßenbahnhaltestelle befragt. An der Schlägerei soll auch der Angeklagte Ralf Wohlleben beteiligt gewesen sein. Der Zeuge gab an, sich nicht an eine Schlägerei erinnern zu können. Später gab er (allerdings erst auf Nachfrage einer Nebenklage-Anwältin) zu, auch heute noch einen freundschaftlichen Kontakt zu Wohlleben zu pflegen und ihm aktuell auch in die Untersuchungshaft zu schreiben, so dass Zweifel an seiner Aussage blieben

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