Der 309. bis 314. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

08.10.16 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu Der 309. bis 314. Verhandlungstag im Münchner „NSU“-Prozess

JEZT - Inside NSU - Symbolbild © MediaPool Jena 2015

Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:

20.09./21.09./22.09.2016: Der 309. bis 311. Verhandlungstag

Ein Brief der „NSU“-Hauptangeklagten Beate Zschäpe an einen Gefangenen aus der Rechten Szene namens Robin Sch. vom März 2013 soll nach dem Willen ihrer Altverteidiger aus den Akten gelöscht werden. Aus Sicht von Rechtsanwalt Wolfgang Stahl, geäußert an Verhandlungstag 309 im „NSU“-Prozess, sei das Schreiben seiner Mandantin rechtswidrig zu den Unterlagen gelangt. Das Gericht hätte damals zwar das Recht gehabt, die Post seiner Mandantin anzuhalten und zu kontrollieren und gegebenenfalls auch weitere Schritte einzuleiten, so der Anwalt. Das sei aber nicht geschehen.

Erst die Gefängnisleitung in Bielefeld, wo Robin Sch. das Ende seiner achtjährigen Haftstrafe im offenen Vollzug verbrachte, habe das Dokument angehalten und dann auch kopiert und an den Verfassungsschutz weitergegeben. Dies sei aus Sicht des Zschäpe-Verteidigers aber nicht zulässig gewesen, womit er ausdrücklich der Bundesanwaltschaft widerspreche, sagte Stahl,  die keine rechtlichen Hindernisse sieht, den Brief durch das Gericht beschlagnahmen zu lassen. Die Bundesanwaltschaft spricht dagegen von einem „allgemeinen Lebensrisiko“, dem sich Beate Zschäpe mit dem Versenden des Briefes ausgesetzt habe. Das Schreiben zeige die „Gesinnung der Angeklagten“ sowie „ihre Fähigkeit zur Manipulation und Selbstbehauptung“. Das Gericht will vorerst noch nicht über den weiteren Umgang mit dem Brief entschieden, erklärte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl.

Mit einem weiteren Antrag versuchen am 310. Verhandlungstag die Verteidiger von Ralf Wohlleben den Vorwurf der Beihilfe zum Mord zu entkräften. Sie fordern, eine Schweizer Kriminalbeamtin als Zeugin zu befragen. Sie soll im Abschlussbericht zu den Schweizer Ermittlungen zur Herkunft der mutmaßlichen NSU-Mordwaffe festgehalten haben, dass es der Kantonspolizei von Bern „nicht möglich war, den Verkaufsweg der Ceska-Pistole nachzuvollziehen“. Dieser Verkaufsweg ist aber eines der Indizien für die Tatverdacht gegen den früheren NPD-Funktionär Wohlleben.

Verhandlungstag 311 sah einen Gutachter im Fokus des Gerichts: Prof. Oliver Peschel aus München und der erklärte dem gericht, weshalb Beate Zschäpe am Tag ihrer Brandstiftung weder physisch noch kognitiv relevant beeinträchtigt war. Zu dieser Einschätzung gelangte der Gutachter vom Rechtsmedizinischen Institut der Ludwig-Maximilians-Universität in München aufgrund verschiedener Berechnungen , kombiniert mit Zeugenaussagen. Der Experte errechnete nach den Angaben der Angeklagten für die Zeit, als sie Feuer in ihrer Wohnung in der Zwickauer Frühlingsstraße legte, einen absolut maximalen Blutalkoholwert von 4,76 Promille. Als den in der Realität dieses Tages am wahrscheinlichsten anztunehmenden Wert gab der Rechtsmediziner 2,58 Promille zu Protokoll.

Zschäpe hatte zuvor ihren Anwalt ausführen lassen, dass sie am Vortag der Brandstiftung ab Mittag drei Flaschen Sekt getrunken und am 4. November 2011 ab 9 Uhr eine weitere Flasche Sekt zu sich genommen habe. Aus diesen Angaben ermittelte der Experte ihren Blutalkoholwert. Nach seiner Einschätzung hatte die Angeklagte zur Tatzeit keinesfalls weniger als 0,38 Promille Alkohol im Blut. Die große Spannbreite der Werte erklärt Prof. Peschel mit dem langen Trinkzeitraum, der seiner Begutachtung zugrunde liegt. Zur Einschätzung Zschäpes am Tattag 04.11.2011 bezog sich der Experte zudem auf Zeugenaussagen von Personen, welche die Angeklagte unmittelbar nach Ausbruch des Brandes gesehen haben. Richter Manfred Götzl fasste vor der Expertise diese Aussagen noch einmal kurz zusammen: Keinem der Zeugen waren damals unnatürliche Reaktionen der Frau aufgefallen. Da auch Beate Zschäpe in ihren Angaben vor Gericht davon sprach, dass sie keine Ausfallerscheinungen hatte, sei der Wert 2,58 Promille „der realistischste“, wie sich Peschel ausdrückte. Nach ihrer Verhaftung habe Beate Zschäpe zudem keine Entzugserscheinungen gezeigt und sie sei deswegen auch nicht mit Medikamenten behandelt worden.

27.09./28.09./06.10.2016: Der 312. bis 314. Verhandlungstag

An Verhandlungstag 312 wurden keine Zeugen vernommen, da die einbestellten Zeugen angaben, verhindert zu sein. Dafür beriet das Oberverwaltungsgericht über die Zulassung des Briefes, den Beate Zschäpe an Robin Sch. schickte. An Verhandlungstag 313 brach Beate Zschäpe erstmals ich persönliches Schweigen vor Gericht. (Siehe hierzu den gesonderten Bericht!)

Am 314. Verhandlungstag wurden erneut keine Zeugen vernommen, da der einzige für diesen Tag vorgesehene Zeuge verhindert war. Nebenklägervertreter Yavuz Narin beantragte, einen Objektschützer der Berliner Polizei als Zeugen zu hören. da dieser angegeben hatte, er habe im Mai 2000 Zschäpe, Mundlos und weitere Personen dabei beobachtet, wie sie die Synagoge in der Berliner Rykestraße ausspähten. Stimmt das, könnte es eine Einbeziehung Beate Zschäpes in die Ausspähung möglicher Tatziele bereits vor Beginn der rassistischen Mordserie belegen – entgegen ihrer Einlassung, in der sie behauptet, sie habe von den Taten erst hinterher erfahren. Das Gericht verlas daran anschließend mehrere längere Beschlüsse, mit denen es frühere Beweisanträge ablehnte – diesmal handelte es sich um Anträge der Verteidigung Wohlleben u. a. vom 310. Verhandlungstag. Die Verteidigung Wohlleben reagierte hierauf mit der Aussage: „Dieser Beschluss liest sich wie eine Urteilsbegründung“.

Da die beiden folgenden Verhandlungstage ausfallen wird der Prozess erst am 12. Oktober 2016 fortgesetzt.

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