„Das ist ein Skandal“: Piratenpartei im Jenaer Stadtrat kann sich nicht mit der Reaktion des Jenaer OBs zur Veröffentlichung von Gutachten abfinden

05.01.17 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu „Das ist ein Skandal“: Piratenpartei im Jenaer Stadtrat kann sich nicht mit der Reaktion des Jenaer OBs zur Veröffentlichung von Gutachten abfinden

JEZT - Drei Buecher von Fau Dr Heidrun Jaenchen - Foto © MediaPool Jena

Drei Bücher von Frau Dr Heidrun Jänchen – Foto © MediaPool Jena

Radio Jena Newscontainer Logo 230Piraten-Stadträtin Dr. Heidrun Jänchen ist im Privatleben u.a. Science-Fiction-Autorin, kann sich aber in ihrem politischen Leben nur schwer mit der vom Jenaer Oberbürgermeister produzierten „Science Fiction Dienstanweisung Nr. 01/38“ abfinden. „Absolut unglaublich“,  finden ihre Jenaer Piraten das und Heidrun Jänchen nennt sie unumwunden „Dienstanweisung zur Verhinderung von Transparenz“.

Bereits vor fast zwei Jahren hatte der Stadtrat auf Antrag von ihr und Clemens Beckstein beschlossen, dass im Auftrag der Stadt erstellte Studien und Gutachten spätestens zwei Wochen nach Eingang veröffentlicht werden sollen. Lange Zeit tat sich gar nichts. Nach einem Jahr fragte Jänchen im Stadtrat zum Thema, ob der Oberbürgermeister glaube, dass Stadtratsbeschlüsse umgesetzt werden müssen. Mit der Dienstanweisung vom 6. September 2016, die die Stadträte erst drei Monate später zur Einsichtnahme erhielten, werde nun versucht, den Beschluss zu unterlaufen. Heidrun Jänchen in einer Presseerklärung der Jenaer Piraten:

Unter Pkt. 2.2 „Zu erledigende Aufgabe“ listet der Oberbürgermeister eine Seite lang auf, was seiner Ansicht nach alles nicht unter die Pflicht zur Veröffentlichung fällt. Das sind sämtliche Gutachten mit Bezug zum sogenannten übertragenen Wirkungskreis, also Aufgaben des Landes und des Bundes, die der Stadt übertragen wurden und damit nur der Verantwortung des Oberbürgermeisters unterliegen. Dazu gehören zum Beispiel Gesundheitsdienst, Drogenprävention oder Integration von Flüchtlingen. Nicht zu veröffentlichen sind außerdem Studien, „die im Rahmen der laufenden Verwaltung“ angefertigt werden, weil sie angeblich „nur normales Verwaltungshandeln“ darstellen. Zunächst, heißt es, müsste verwaltungsintern entschieden werden, was mit den Informationen geschehen sollte. Explizit aufgeführt sind Schallimmissionsgutachten, artenschutzrechtliche Prüfungen, Kartierungen geschützter Arten oder hydrogeologische Gutachten. Kein einziges Wort wird darüber verloren, was tatsächlich veröffentlicht werden soll.

„Offenbar versucht man mit Hilfe von juristischen Spitzfindigkeiten so gut wie jede Veröffentlichung von Gutachten zu verhindern“, sagt Jänchen dazu. Selbst Gutachten, die einen direkten Bezug zu Beschlussvorlagen haben, sollen nicht wie beschlossen sofort offen gelegt werden, sondern „erst wenn die verwaltungsinterne Entscheidungsfindung abgeschlossen ist“, und zwar „komprimiert“. „Das ist ein Skandal, damit bleibt alles beim Alten“, kritisiert Jänchen die Anweisung. „Die Verwaltungsspitze schützt ihr Herrschaftswissen. Im besten Fall bekommen die Stadträte mit genau sechs Tagen Vorlauf mehrere hundert bis tausend Seiten Unterlagen zu komplexen Bauvorhaben. Eine verantwortungsvolle Prüfung ist damit unmöglich. Das ist Blindekuh, nicht Stadtrat.“

Doch es geht nicht nur um den Stadtrat, sondern auch um das Informationsrecht der Bürger. Mit deren Geld werden die Gutachten bezahlt, bleiben dann aber zum Großteil in der Schublade der Verwaltung. Die Piraten stört die Scheinheiligkeit, mit der einerseits Bürgerbeteiligung als Kernaufgabe im Integrierten Stadtentwicklungskonzept verankert wird: „Kommunikation, kooperatives Handeln und Transparenz sichern den Erfolg der Stadt Jena“, andererseits aber jede konkrete Umsetzung unterlaufen wird. „Deutlicher kann man dem Stadtrat nicht sagen, dass man ihn für eine reine Showveranstaltung hält. Er kann beschließen, was er will. Der Oberbürgermeister und seine Dezernenten machen trotzdem, was ihnen gefällt“, äußert auch Beckstein seinen Ärger über die Verweigerungshaltung im Rathaus.

Andere Städte – allen voran Hamburg – sind da erheblich weiter. Besonders peinlich für Schröter: Seine eigene Partei, die SPD, hat gemeinsam mit Linken und Grünen am 11.05.2016 die Erarbeitung eines Transparenzgesetzes für Thüringen beantragt. Der Entwurf seines Parteifreundes Lutz Hasse (Datenschutzbeauftragter des Landes Thüringen) listet als veröffentlichungspflichtige Informationen unter anderem „Gutachten und Studien, soweit sie von Behörden in Auftrag gegeben wurden“ auf. Genau das, was die Jenaer Piraten beantragt und der Stadtrat beschlossen hatte.

Nur eines scheint sich wirklich zu verbessern: Künftig darf der Stadtrat monatlich unterrichtet werden, welche Gutachten durch die Stadt in Auftrag gegeben wurden – unter Ausschluss der Öffentlichkeit natürlich.





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