„Luxus als Verweigerung“: FSU-Professor Dr. Lambert Wiesing erhält den Thüringer Forschungspreis 2018

28.04.18 • INFOS FÜR STUDIERENDE, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENA, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKeine Kommentare zu „Luxus als Verweigerung“: FSU-Professor Dr. Lambert Wiesing erhält den Thüringer Forschungspreis 2018

Der Philosoph Prof. Dr. Lambert Wiesing ist mit dem diesjährigen Thüringer Forschungspreis ausgezeichnet worden. – Foto © FSU Jena Anne Günther

Wenn es um Luxus geht, denken viele daran, wie reiche Leute ihren teuren Lebensstil präsentieren: mein Haus, mein Auto, mein Boot. Luxus leben immer die anderen. Doch was ist Luxus überhaupt? Sollten wir ihn nicht zunächst einmal ganz neutral betrachten und auf die eigene Person beziehen? Und kann er dann nicht sogar im geistigen Sinne äußerst bereichernd sein? Mit diesen Fragen hat sich der Philosoph Prof. Dr. Lambert Wiesing von der Friedrich-Schiller-Universität Jena intensiv beschäftigt. Für seine Antworten erhält er in diesem Jahr den mit 12.500 Euro dotierten Thüringer Forschungspreis in der Kategorie „Grundlagenforschung“.

„Ich freue mich außerordentlich über diese Auszeichnung – zumal es nicht häufig vorkommt, dass ein Geisteswissenschaftler ihn erhält“, sagt der Jenaer Philosoph. Wiesing sieht darin vor allem eine Würdigung seiner Pionierarbeit, denn keiner seiner Kollegen hat sich bisher so intensiv mit dem Thema beschäftigt wie er. Grundlegend für seine Arbeit ist dabei eine eindeutige Definition des Luxus, die eine klare Abgrenzung voraussetzt: „Ich unterscheide zwischen Protz, also der nach außen gerichteten Zurschaustellung eines teuren Lebensstils, und Luxus als nach innen gerichtete Erfahrung“, erläutert Wiesing. Letzterer sei also keine materielle Kategorie. Was Protz kostet, können wir am jeweiligen Preisschild ablesen. Der Wert von Luxus hingegen ist nicht messbar – und er ist für jeden Menschen verschieden. Während Millionäre beispielsweise Gemälde für hohe Summen ersteigern, um sie sich ins Wohnzimmer zu hängen, leisten sich andere einen teuren Käse im Supermarkt.

Beim Luxus geht es zwar um den Besitz von Dingen, deren Anschaffung einen übertriebenen, nicht notwendigen Aufwand erfordert. Doch liegt gerade in dieser ganz persönlichen Erfahrung, etwas irrationales, überflüssiges zu tun, der Wert – und nicht in einem nach außen gerichteten Prestigegewinn. Sie birgt vielmehr eine Möglichkeit in sich, aus den Zwängen der Zweckmäßigkeit auszubrechen und sich dem konventionellen Effizienzgedanken zu verweigern. Seit Jahren beispielsweise steigen die Absatzzahlen von Schallplatten, obwohl sich Musik heute weitaus schneller, billiger und platzsparender beziehen lässt – vom viel größeren Aufwand des Abspielens ganz zu schweigen.

„Luxus ist nach meinem Verständnis also eine eindeutig individuelle ästhetische Erfahrung, ähnlich wie bei der Betrachtung eines Kunstwerkes“, erklärt der Jenaer Philosoph. Und die Kunst liefert Wiesing auch einen Vergleich, um seine Auffassung von Luxus zu pointieren: „Luxus ist der Dadaismus des Besitzens.“ Für die Geschichte der Philosophie bedeutet dies, dass hier erstmals vertieft über die Möglichkeit nachgedacht wird, dass der Akt des Besitzens mit ästhetischen Erfahrungen verbunden ist – und zwar mit ästhetischen Erfahrungen, so wie sie von Friedrich Schiller beschrieben wurden: als ein Gefühl, als Mensch gegenüber den Zwängen der Natur wie der Vernunft frei zu sein.

Auf das Thema stieß Wiesing im Übrigen während eines Forschungsaufenthaltes im britischen Oxford. „Die Universität dort pflegt eine Idee von zweckfreier Bildung, die der von Luxus schon sehr nahekommt“, erzählt er. „Diese Eindrücke haben mich sehr beeindruckt und mir schließlich ein neues Forschungsfeld eröffnet, das bisher überraschend unbearbeitet war.“ Dass Lambert Wiesing mit seinen Betrachtungen einen Nerv der Zeit getroffen hat, beweist nicht zuletzt das große Interesse, auf das sein 2015 im Suhrkamp Verlag erschienene Buch „Luxus“ noch immer trifft. „Generell ist das Verlangen nach Luxus ein zutiefst menschliches Phänomen und damit zeitlos“, sagt er. „Doch möglicherweise ist es ein Konzept, das sich damit beschäftigt, wie Menschen auf die gegenwärtige Zunahme instrumenteller Vernunft reagieren.“ Wiesing hat mit seiner Forschung eine ausgezeichnete Grundlage dafür gelegt, sich ausgiebiger mit dem Thema zu beschäftigen.

Ein zweiter Forschungspreis im Bereich der Grundlagenforschung und ein Preisgeld in Höhe von 12.500 Euro gehen an ein Team vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut. Dr. Alessandro Cellerino, Dr. Matthias Platzer, Dr. Bryan R. Downie, Dr. Nils Hartmann, Dr. Philipp Koch, Dr. Andreas Petzold, Dr. Kathrin Reichwald und Prof. Dr. Christoph Englert, der auch den Lehrstuhl für Molekulare Genetik an der FSU innehat, erhalten den Preis für ihre Arbeit im Bereich der Alternsforschung, konkret am Türkisen Prachtgrundkärpfling (Nothobranchius furzeri). Der Fisch altert ähnlich wie der Mensch – nur deutlich schneller. Das Forschungsteam hat sein Genom analysiert und damit ein Alternsmodell geschaffen, das neue Möglichkeiten für die Untersuchung des Alterns bei Wirbeltieren eröffnet.





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