Der Münchner „NSU“-Prozess: Die Verhandlungstage Nr. 422 bis 426 im Mai 2018

21.05.18 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, STARTKeine Kommentare zu Der Münchner „NSU“-Prozess: Die Verhandlungstage Nr. 422 bis 426 im Mai 2018


Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:

02.05.2018: Der 422. Verhandlungstag

Die Verteidiger des Angeklagten Carsten Sch#ltz# trugen am 422. Verhandlungstag im „NSU“-Prozess ihr Plädoyer vor und beantragen einen Freispruch. Der Angeklagte habe bei der Beschaffung der Mordwaffe Ceska 83 „im Rechtssinne nicht bedingt vorsätzlich gehandelt“, sagte sein Anwalt Jacob Hösl. Für ihn und seinen Kollegen Johannes Pausch ist sicher, dass Sch#ltz# im Frühjahr 2000 nicht ahnte und auch nicht gewollt hätte, was Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos planten. Die beiden Männer erschossen mit der Pistole neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft. Die Verteidiger bestritten auch, dass Sch#ltz# absichtlich einen Schalldämpfer mitgeliefert habe. Aus Sicht der Anwälte war der Angeklagte lediglich der naive, beflissene „Adlatus“ des Mitangeklagten Ralf Wohlleben. Dieser soll die Beschaffung der Waffe eingefädelt haben. Carsten Sch#ltz# hatte gleich zu Beginn des Prozess 2013 ein umfassendes Geständnis vorgetragen. Außerdem berichtete er von einem Sprengstoffanschlag mit einer präparierten Taschenlampe in Nürnberg. Die Tat verübten Böhnhardt und Mundlos im Juni 1999. Bis zur Aussage von Sch#ltz# im Prozess hatten die Behörden den Fall nicht dem NSU zugerechnet.

08.05. und 09.05.2018: Der 423. und 424. Verhandlungstag

Am 423. Verhandlungstag vor dem OLG München pl#dierten die Verteidiger von André Em#ng#r und forderten ebenfalls Freispruch. Außerdem verlangten sie die Aufhebung des im September 2017 ergangenen Haftbefehls. Aus Sicht der Anwälte seien die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft nicht stichhaltig. Ihr Mandant sei freizusprechen „mangels strafbarer Handlung“, sagt Verteidiger Herbert Hedrich. Zu Beginn des Plädoyers mochte Hedrich nicht verhehlen, sein Mandant sei „Nationalsozialist, der mit Haut und Haaren zu seiner politischen Überzeugung steht“. Hedrich betont ebenso: „Das Wort ‚Ich bin ein Nationalsozialist‘ hat heute hier im Saal Premiere“. Nach diesem provozierenden Einstieg war die Richtung des Plädoyers schnell klar: die Verteidiger sehen Em#ng#r durch Bundesanwaltschaft und Medien vorverurteilt, weil er als Neonazi auftritt, was aber sein gutes rest sei in einer Demokratie.

Außerdem stellten die Anwälte fest, aus ihrer Sicht sei keine einzige der fünf ihrem Mandanten vorgeworfenen Taten nachgewiesen. Es gebe unter anderem keinen Beleg für den Vorwurf der Bundesanwaltschaft, André Em#mg#r habe im Dezember 2000 ein Wohnmobil für Böhnhardt und Mundlos gemietet, damit die beiden den ersten Sprengstoffanschlag in Köln verüben konnten. RA Hedrich vermutet sogar, die terroristische Vereinigung „NSU“ habe von 2007 an – nach dem letzten Mord in Heilbronn – gar nicht mehr existiert. Wenn überhaupt dann nur noch als eine kriminelle Vereinigung, die Raubüberfälle beging, um das Leben im Untergrund finanzieren zu können.

Tag 424 im „NSU“-Prozess gehörte der Verteidigung des Mitangeklagten Holger Gerlach. Gerlachs Anwälte sagten in ihrem Plädoyers, ihr Mandant habe nicht geahnt und auch nicht ahnen können, dass er einer terroristischen Vereinigung half. Deshalb sei Gerlach nur wegen der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung in einem Fall zu verurteilen. Die Bundesanwaltschaft hält dem Angeklagten hingegen vor, er habe dem „NSU“ mit einem Führerschein und einem Reisepass auf seinen Namen sowie der AOK-Karte einer Bekannten geholfen. Der Führerschein soll es Uwe Böhnhardt ermöglicht haben, neun Wohnmobile und zwei Pkw zu mieten. Die Fahrzeuge nutzten Böhnhardt und Mundlos für sechs Morde, den Nagelbombenanschlag in Köln und sechs Raubüberfälle. Weitere Taten, darunter die Lieferung einer Waffe, sind verjährt.

Der frühere Jenaer Holger Gerlach hatte vor Gericht alle Taten gestanden, beteuerte aber stets, von den Verbrechen nichts gewusst zu haben. Uwe Böhnhardt habe ihm auch versprochen, mit den Dokumenten werde (Zitat) „kein Scheiß“ angestellt. Aus Sicht seiner Verteidiger Stefan Hachmeister und Pajam Rokni-Yazdi wollte Gerlach den drei abgetauchten Freunden Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe nur helfen, im Untergrund zu überleben. Die Anwälte appellierten an die Richter, nicht dem Verurteilungsdruck der Öffentlichkeit nachzugeben.

15.05. und 16.05.2018: Der 425. und 426. Verhandlungstag

AnTag 425 plädierten die drei Anwälte von Ralf Wohlleben. RAin Nicole Schneiders kennt ihren Mandanten seit vielen Jahren. Er war 2000 Vizechef der Thüringer NPD, Schneiders seine Stellvertreterin im NPD-Kreisverband Jena. Als Anwältin teilt sich Schneiders ihre Kanzlei mit dem Kollegen Steffen Hammer, der mehr als 20 Jahre lang der Sänger der rechtsextremen Band „Noie Werte“ war – Musik dieser gewaltverherrlichenden, zum Rassenhass aufrufenden Musikgruppe nutzte der „NSU“ in einen Vorläufer seines Bekennervideos als Soundtrack zu seiner Mordserie.

Schneiders begann mit einem Rundumschlag gegen den Senat, der längst ein Urteil gegen Ralf Wohlleben gefällt habe, wie sie sagt: ein Urteil, das bereits vor der Hauptverhandlung festgestand. Dieses Verfahren sei „nicht rechtstaatlich und nicht fair“ geführt worden, monierte die Anwältin. „Sie werden dazu gedrängt, ein Urteil zu fällen, das politisch gewollt ist.“ der Borsitzende Richter Manfred Götzl habe sich „aktiv an der Verhinderung der Aufklärung“ beteiligt, so Schneiders. „Das müssen Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren!“ Die Anwältin erklärte auch, sie sei völlig überzeugt von Wohllebens Unschuld und genau das habe die Beweisaufnahme auch ergeben, wie sie darlegte. Wohlleben sei „Bauernopfer“ und „Sündenbock“ – und freizusprechen. Mit den Worten: „An der Wahrheitsfindung hatten Sie, Hoher Senat, kein Interesse!“ beendete Nicole Schneiders ihr Plädoyer.

Auf das Gewissen des Senats zielten auch Wohllebens Verteidiger Olaf Klemke und Wolfrahm Nahrat in ihren Schlussvorträgen an Verhandlungstag 426. „Wir können Ihr Urteil nicht verhindern“, konstatiert RA Olaf Klemke, denn dieses stehe längst „unverrückbar“ fest. Klemke wörtlich: „Ich hielt Sie von Anfang an für befangen und voreingenommen und tue es bis zu dieser Minute.“ Wohllebens Verteidiger stellten im Laufe des Verfahrens die meisten Befangenheitsanträge gegen den Strafsenat. Klemke zweifelte in seinem Plädoyer vor allem den mit „scheinbarer Akribie“ nachgewiesenen Weg der Waffe an: Zeugen hätten bestritten, am Weiterverkauf beteiligt gewesen zu sein und die Identität der Waffe, die der Kronzeuge Carsten Sch#ultz# „im angeblichen Auftrag Wohllebens“ besorgt haben wolle, sei nicht zweifelsfrei geklärt. Sch#ltz# sei „ein verkappter Homosexueller, der in der homophoben rechten Szene“ eine Art Ersatzfamilie gefunden habe. Außerdem habe sich im Verfahren keiner damit beschäftigen wollen, dass Mundlos und Böhnhardt „ihren Nährboden für die geistig kranken Ideen vom Morden“ erst nach ihrem Abtauchen gefunden hätten, argumenterte Olaf Klemke.

Wohlleben habe nie damit gerechnet, dass Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos „so etwas tun würden“, erklärte sein dritter Pflichtverteidiger Wolfrahm Nahrat im Plädoyer. Rechts zu sein, könne man nicht gleichsetzen mit der Unterstützung zweier psychisch kranker Mörder, so der Anwalt. Und viele Zeugen hätten bestätigt, „dass Ralf Wohlleben nie ausländerfeindlich oder gewaltbereit war. Er ist kein Ausländerhasser, er ist ein Realo.“ Zumindest hier gab es ein kurzes Auflachen auf der Zuschauertribüne, auf der auch Anhänger der linken Szene Jenas saßen. Viele von ihnen kannten Ralf Wohlleben aus den Neunziger Jahren, als er bei Kundgebungen voranlief, ins Mikrofon schrie und gegen Ausländer hetzte. Die Beweisaufnahme, erklärt RA Klemke abschließend, habe nicht zweifelsfrei klären können, dass es sich bei der von Wohlleben über Carsten Sch#ltz# beschafften Pistole um die Mordwaffe handele.

Als der Mitangeklagte André Em#ng#r schließlich über Kopfschmerzen klagte, unterbrach der Vorsitzende ichter die Hauptverhandlung; am Folgetag wollte RA Klemke deshalb sein Plädoyer fortsetzen und beenden.


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