Intensiv-Tagebücher (1): Trauma Ausstellung ist noch bis Ende November in der Magistrale des UKJ zu sehen

16.11.19 • JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START, UNSER JENA, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKommentare deaktiviert für Intensiv-Tagebücher (1): Trauma Ausstellung ist noch bis Ende November in der Magistrale des UKJ zu sehen

Ausgewählte Seiten der Tagebücher werden zusammen mit Fotografien aus jüngerer Zeit in der aktuellen Ausstellung im UKJ gezeigt, die bis Ende November zu sehen ist. Sie ist ein gemeinsames Projekt vom CSCC (Center für Sepsis Control and Care), Sepsis-Stiftung und ZIK Septomics mit Unterstützung der Psychologin Dr. Teresa Deffner. – Foto: Sibylle Kölmel

(UKJ/as) – „Ihre Tochter hat für Sie Cello gespielt, man hatte den Eindruck, dass sie das beruhigt.“ Der 59-Jährige kann noch nicht lesen, was Schwester Melanie in sein Intensivtagebuch geschrieben hat. Auch nicht die Zeilen seiner Frau, die von der anstehenden Operation schreibt und für die Ärzte beten möchte. Seit einem Sturz aus mehreren Metern Höhe wird ihr Mann auf der Intensivstation am UKJ betreut. Damit Friedhelm G. später, wenn er seine Umwelt wieder bewusst wahrnimmt, nachvollziehen kann, was in diesen Tagen in der Klinik passiert ist, füllen die Menschen um ihn herum das Tagebuch an seinem Bett.

Die Intensivmedizin macht heutzutage viel möglich – doch was macht sie mit den Menschen? Etwa ein Drittel aller Patienten, die über mehrere Tage oder Wochen auf einer Intensivstation behandelt werden, erleiden später eine psychische Folgebelastung, entwickeln Ängste oder Depressionen. „Wir wissen, dass das Tagebuchschreiben diese psychischen Belastungen, die nach einer intensivmedizinischen Behandlung auftreten können, reduziert“, so Dr. Teresa Deffner, Psychologin auf der Intensivstation am UKJ. Ärzte und Pflegekräfte am UKJ starteten 2012 ein Forschungsprojekt, das sich den psychischen Belastungen für Angehörige und Mitarbeiter rund um die Entscheidungen am Lebensende von Patienten mit schwerer Sepsis widmete.

Eine Psychologin als feste Ansprechpartner und die Möglichkeit, ein Tagebuch zu schreiben, haben sich als wichtige Hilfe erwiesen. Teresa Deffner und ihre Kollegin Katherina Wicklein sind nun fest auf der Intensivstation als Psychologinnen angestellt. Bei einer jungen Frau, die vom Pferd gestürzt ist, und einem Mann mit schwerer Lebererkrankung hat sie ebenfalls ein Intensiv-Tagebuch ans Bett gelegt. Die ersten Seiten erklären den Angehörigen die für sie fremde Umgebung: Was riecht der Patient? Was hört er auf der Intensivstation? Was sieht er, wenn er erstmals wieder die Augen aufschlägt? Wie sind die täglichen Abläufe auf der Station? Auf den nächsten Seiten können die Angehörigen Persönliches über den Patienten eintragen – was sind seine Vorlieben, was tut ihm gut?

„Das Tagebuch ist vor allem ein Instrument für die Angehörigen“, sagt Teresa Deffner. Das Schreiben selbst helfe, sich zu entlasten. „Wer die intensiven Emotionen niederschreibt, kann sie damit auch ein Stück weit ablegen.“ Eine intensivmedizinische Behandlung verläuft oft wellenförmig. Fortschritt und Rückschläge wechseln sich häufig ab, während die Familie hilflos abwarten muss. „Durch das Schreiben können die Angehörigen etwas tun, das dem Kranken später helfen wird“, sagt die Psychologin. Sie können mit dem Menschen in Verbindung bleiben, der vor ihnen liegt und doch so weit entfernt erscheint.

In jedem Buch steckt daher eine große Hoffnung: dass es irgendwann von dem gelesen wird, für den es geschrieben wurde. Doch auch wenn der Patient stirbt, kann das Tagebuch eine Hilfe bei der Trauerarbeit sein.

[LESEN SIE AM 18.11.2019 HIER BEI UNS TEIL 2 DES BERICHTS]





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