„Wir wollen das nicht!“: Machtpolitik anstatt Zeichen des guten Willens zum Start des neuen Stadtrats

19.06.14 • JEZT AKTUELL, RADIO JENA, START2 Kommentare zu „Wir wollen das nicht!“: Machtpolitik anstatt Zeichen des guten Willens zum Start des neuen Stadtrats

(LN / LANGE | 2014-06-19) – In der gestrigen konstituierenden Sitzung des Jenaer Stadtrats wurde der LINKE-Politiker Jens Thomas zum neuen Vorsitzenden gewählt. Außerdem wurde ein Antrag behandelt, die Ende letzten Jahres von der damaligen Koalition CDU, SPD und Bündnis’90/GRÜNE zu Ungunsten kleinerer Parteien veränderte Geschäftsordnung des Stadtrats wieder gerade zu rücken. In namentlicher Abstimmung wurde er mit 24 zu 18 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Dies entspricht genau dem Machtverhältnis der alten (und wohl auch neuen) Koalition von SPD, CDU und Bündnis’90/GRÜNE im Stadtrat.

Dabei war es interessant, mit welchen Argumenten die Debatte geführt wurde. Dr. Jörg Vogel von der SPD (oben) wollte die Abstimmung verhindern, weil „dies nicht in eine festliche Sitzung“ gehöre…da war es allerdings schon zu spät, weil der Tagesordnungspunkt bereits auf der Tagesordnung stand. Reyk Seela (CDU) verwies auf die Thüringer Kommunalordnung, lag aber falsch, denn diese sieht aber den Punkt „zwei oder drei Stadträte“ in bezug auf den Fraktionsstatus gar nicht vor. Thilo Schieck (Bündnis’90/GRÜNE) hingegen wollte und konnte keine plausiblen Gründe für einen Umschwung sehen und wurde mit eigenen Äußerungen aus der Presse zitiert, alle Parteien mit in die Stadtratsarbeit einzubinden. Ähnlich erging es dem Oberbürgermeister, dem seine Worte zu Beginn der Stadtratssitzung vorgehalten wurden – man müsse man „groß denken und handeln, ohne großspurig zu sein“ hatte er da gesagt.

Für den Antrag sprachen sich u.a. Heidrun Jänchen und Prof. Clemens Beckstein (Piraten), Dr. Gudrun Lukin und Martina Flämmich-Winkler (DIE LINKE), Jürgen Häkanson-Hall (Bürger für Jena), Andreas Wiese und Dr. Thomas Nitzsche (FDP / Foto links) aus. Deren Gründe waren klar: kein Fraktionsstatus heißt u.a. keine Zuwendungen für Fraktionsmitarbeiter und Geschäftsstelle, keine Entsendung von beratenden Bürgern, keine Beantragung von aktuelen Stunden.

Die LINKE Fraktion handelte als Einbringerin des Antrags gleichwohl nobel, wäre sie es doch gewesen, die davon am wenigsten profitiert hätte und anstatt von zwei Stadträten im Hauptausschuss zukünftig nur noch ein Mitglied gehabt hätte. Argumente hin – Argumente her: auf den Punkt brachte es ein Zwischenruf von SPD-Professor Thomas Deufel, der kalt und präzise karstellte „Wir wollen das nicht!“

So bestätigte sich wieder die alte Zoologenweisheit: „Wo sitzt ein 250 Kilo schwerer Gorilla? – Wo er will!“. Den bemerkenswertesten Satz der Stadtratsdebatte vom gestrigen Abend sagte Prof. Dr. Clemens Beckstein: „Demokratie ist keine Frage der Zewckmäßigkeit sondern der Sittlichkeit“ – das Zitat stamme übrigens nicht von ihm, erklärte er, sondern von SPD-Ikone und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt.





2 Kommentare

  1. Detlef sagt:

    So, heute Abend hat die SPD die Quittung bekommen. Unterschätze niemals das Gedächtnis deines Wählers !!!

  2. Kritische Jenenserin sagt:

    Es gab aber auch weitere richtungsweisende Entscheidungen. Die FDP, meiner Meinung nach in der vergangenen Legistalur in Jena eine der effizientesten Parteien, steckt weiter im Sumpf der Bundespolitik von Brüderle und Co, erreichte mit 4,7 % aber ein beachtliches Ergebnis für Dr. Nitzsche – ansonsten 3,8 % – was mir zeigt, dass er der richtige Mann für das Potential der Ultra-FDP-Sympathisanten ist. Dagegen sind die Piraten völlig abgesoffen mit 2,1 %. Wer braucht die noch in Jena? Diametral dazu ist deren große Klappe.

    (PS: Ich schrieb das heute auch so ähnlich bei Jenapolis, aber da hat man mein Statement nach einer Minute ohne Vorwarnung rausgelöscht. Sind wohl zu viele Piraten bei Herrn Petrich und „Blackbeard“ Netzbandt…)

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