Der 161. bis 165. Verhandlungstag im Münchner “NSU”-Prozess

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JEZT - INSIDE NSU - Teaser

Zusammengestellt von Annett Szabo-Bohr:

19.11.2014 = Der 161. Verhandlungstag

Nicht sehr ergiebig verlief der 161. Prozesstag für den Vorsitzenden Richter Manfred Götzl sowie alle Prozessbeteioligten. Geladen waren zwei Zugen, die sich kam noch an Dinge auf den 1990er Jahren erinnern konnten. Der von Götzl befragte Jenaer Kriminalpolizist, inzwischen schon lange in Pension,  hatte im Juli 1996 die Hauptangeklagte Beate Zschäpe zu dem Sachverhalt befragt, eine Puppe mit Judenstern an einer Autobahnbrücke bei Jena aufgehängt zu haben. Dem Befragten ist der Vorgang heute nicht mehr präsent, er wurde in der Befragung von Götzl unsicher, verhaspelt sich und sprichteinmal sogar von der „Volkspolizei“, vor die Zschäpe geladen worden wäre. An den genauen Verlauf der Befragung zu der judenfeindlichen Tat konnte sich der Zeuge nicht mehr erinnern. Götzl blieb jedoch bei seiner Befragung und bemerkte: „Ich weiß, es ist lange her, aber versuchen muss ich es ja trotzdem“.

Danach setzte Götzl die Befragung eines ehemaligen Gerichtspräsidenten aus der Schweiz fort. Der hat im Februar 2012 den vermutlich ersten privaten Besitzer der Pistole Ceska 83 vernommen, bevor diese Waffe ind ie Hänge der „NSU“-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gelangte; mit ihr wurden insgesamt neun Migranten erschossen. Eine genaue Erinnerung hatte der Ex-Gerichtspräsident nach eigenem bekunden nicht mehr, denn der Termin habe damals dauerte nicht lange gedauert und der Jurist hatte anschließend über eine mögliche Inhaftierung zu entscheiden. Er entschied sich für eine Untersuchungshaft, bemerkte jedoch, dass das Ganze für ihn nur eine von vielen Routinevernehmungen war. Gleich zu Beginn seiner Befragung hatte er erklärt, er wisse nur noch, dass es um Waffen gegangen sei. Deshalb hatte ihn Götzl nochmals geladen, für den Fall, das dem Gerichtspräsidenten in der Zwischenzeit noch etwas eingefallen sein sollte. Ist dem Zeugen aber nicht und so hielt Manfred Götzl dem Schweizer reihenweise Passaagen aus dem damaligen Protokoll vor. Der Zeuge antwortete ihm darauf hartnäckig: nein, er habe keine Erinnerung mehr.

20.11.2014 = Der 162. Verhandlungstag

Besser lief es für das OLG München am Folgetag. Eine 40 Jahre Jahre alte Erzieherin aus Aue, die in den 1990er-Jahren Mitglied eines rechtsextremen Netzwerks war, bemühte sich im Gerichtssaal erkennbar darum, ihre eigene Rolle herunter zu spielen. „Kennen Sie den Angeklagten Andre Em#ng#r?“, fragte der Vorsitzende Richter die Zeugin. Die schaute kurz zu dem „NSU“-Helfer auf der Anklagebank hinüber und der schüttelte leicht den Kopf. „Nein“, sagte sie. Richter Manfred Götzl konfrontierte sie daraufhin mit einer alten Vernehmung durch die Polizei. Da hatte sie angegeben, Andre E. sehr wohl zu kennen. „Was sagen Sie dazu“, fragte der Richter die Zeugin. „Scheiße“ antwortete diese. In der Tat, denn ein V-Mann des Verfassungsschutzes hatte die Frau schwer belastet. Dieser gab 1998 an, sie sei in die Hilfe sächsischer Neonazis für das untergetauchte Terrortrio aus Thüringen eingebunden war und Beate Zschäpe sogar einen Pass für eine mögliche Flucht nach Südafrika zur Verfügung stellen wollte.

Das stimme nicht, erklärte die Frau nun und ergänzte, dass sie weder Zschäpe noch Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt kenne. Götzl lässt daraufhin ein altes Schwarz-Weiß-Foto zeigen, auf dem die Zeugin zu sehen ist, wie sie auf einer Party direkt neben Mundlos steht. Kann sein, erklärte die Zeugin, aber ich kenne ihn trotzdem nicht. Was das für eine Gelegenheit war, bei des sie neben Mundlos gestanden hätte, wollte Götzl nun wissen. Es wäre ein Konzert von einer rechtsextremerm Band gewesen, so die Zeugin. Wer das Konzert veranstaltet hätte, will Manfred Götzl nun wissen. „Das war ein Club“, berichtete die Zeugin. Der Vorsitzende Richter sagte „Blood & Honour?“ – Die Zeugin nickte.

Auf Rückfragen von Nebenklageanwälten räumte die heutige Erzieherin dann ein, dass rassistische Inhalte wie „der Erhalt der weißen Hautfarbe“ in dem „Club“ “ durchaus eine Rolle spielten. „Zeugin, sie tun so, als sei ‚Blood & Honour‘ nur eine ‚Krabbelgruppe‘ gewesen“, ermahnte sie Richter Götzl schließlich und erinnerte sie an ihre Wahrheitspflicht. Die Erzieherin ergänzte daraufhin, es sei im Club auch „ein Stück weit um rechtes Gedankengut“ gegangen. Dann machte die Zeugin einen möglicherweise wichtigen Hinweis auf die Finanzierung des untergetauchten Terrortrios, als sie erklärte, nach einem der Konzerte hätten urplötzlich „20.000 DM in der Kasse gefehlt“. Ein anderer Rechtsextremer habe damals aber versucht, das Fehlen der Abendkasse herunter zu spielen und „vom Tisch zu wischen“, sagte die Zeugin. Götzl fragte nach dem Namen und dann wurde klar: Dieser Mann ist den Ermittlungsbehörden bekannt, denn er gehörte zum Kreis der „NSU“-Helfer.

Am Vormittag des 162. Prozesstages hatte das Gericht zunächst einen Beamten des Bundeskriminalamts befragt, der Ermittlungen rund um die mutmaßliche Haupttatwaffe des „NSU“ durchführte. Der Angeklagte Carsten Sch#lz# übergab Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach eigenen Angaben jene Ceska-Pistole, mit der neun der zehn Morde begangen worden sein sollen, die dem „NSU“ zur Last gelegt werden. 2012 habe das BKA, so der Zeuge, Carsten Sch#lz# eine ganze Reihe von Pistolen, mit und ohne Schalldämpfer, vorgelegt und Sch#lz# habe eine Ceska 83 als den Waffentyp wiedererkannt, den er an den „NSU“ gelieferte habe.

25.11.2014 und 26.11.2014 = Der 163. und 164. Verhandlungstag

Die Vernehmung am 162. Tag war in sofern wichtig, als dass der Angeklagte Carsten Sch#lz# am 163. Tag im Münchner Prozess erneut in den Zeugenstand treten musste. Sch#lz# ist der einzige Angeklagte, der bisher im Prozess umfangreich Angaben gemacht hat. Er räumte ein, im Auftrag des Angeklagten Wohlleben eine Pistole mit Schalldämpfer gekauft und an Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt übergeben zu haben. Carsten S. gab bei seiner ersten Befragung auch zu, den Kontakt zum untergetauchten Trio aus Mundlos, Böhnhardt und Beate Zschäpe gehalten zu haben. Carsten Sch#lz#  schloss nun auf Nachfrage weitgehend aus, dass er dem Terror-Trio über die Beschaffung der Waffe hinaus geholfen haben könnte. „Da kommt keine Erinnerung mehr“, sagte er mehrfach zu Richter Götzl.

Am 164. Prozesstag war ein heute 40-Jähriger aus Hohenstein-Ernstthal im Zeugenstand: Ralf H. Er gehörte Ende der 1990er-Jahre zur Chemnitzer Neonazi-Szene, nahm an einschlägigen Demos teil. Nach Aussagen Dritter auch an solchen, bei denen auch Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt mitmarschierten. Etwas später habe ihn Thomas S., ein führendes Mitglied aus der Szene, zweimal angesprochen, ob er jemand in seiner Wohnung vorübergehend aufnehmen könne. Beim ersten Treffen seien zwei Männer in Kapuzen dabei gewesen, die er aber, so der Zeuge, nicht erkennen habe können. Und angeblich wollte er auch gar nicht wissen, um wen es ging. Er habe noch bei seinen Eltern gewohnt, so H., deshalb die Anfrage abgelehnt und sich nicht weiter dafür interessiert. So weit so gut.

Eine Aussage jedoch irritierte nicht nur den Vorsitzenden Richter Götzl und ließ den Zeugen unglaubwürdig werden. Es war die Zeit, als das „NSU“-Trio Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe bereits untergetaucht war und H. an Neonazi-Demos teilgenommen hatte. Nein, erklärte H. vor Gericht, es sei zu dieser Zeit nicht „rechts“ gewesen. Trotz vieler Nachfragen blieb Ralf H.  bei seiner Darstellung und räumte lediglich ein, dass er sich damals schon „rechte Gedanken“ gemacht habe. Als der Richter wissen will, was er konkret damit meint, äußerte der Zeuge etwas wie „Brauchtum pflegen“ und räumte schließlich ein: „Asylpolitik war auch schon ein Thema“.

Und weshalb fragte das Gericht bis in den Nachmittag hartnäckig nach? Der Personalausweis von Ralph H. war im Brandschutt des Hauses in der Zwickauer Frühlingsstraße gefunden worden, der letzten Wohnung von Beate Zschäpe. Laut Anklage soll sie diese 2011 in Brand gesteckt haben, als ihre mutmaßlichen Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt nach einem missglückten Banküberfall Selbstmord begingen. Wie der Personalausweis dorthin gekommen ist, wollte Götzl von den zeugen wissen. Der gab vor Gericht an, dass ihm der Ausweis Jahre zuvor gestohlen worden sei. Mit dem Ausweis wurden später nachweislich Waren, wie zum Beispiel ein Nachsichtgerät, an eine Adresse geordert, die unter Vorlage des Ausweises von Ralph H. angemietet worden war.

27.11.2014 = Der 165. Verhandlungstag

Ein erneuter Befangenheitsantrag bestimmte den Ablauf des 165. Tages im Münchner „NSU“-Prozess vor dem OLG. Anlass für den Befangenheitsantrag: Die Befragung eine älteren Thüringer Polizisten, er Erinnerungslücken hatte. Zschäpe-Verteidigerin Anja Sturm monierte, dass der Zeuge nur noch vom Lesen des alten Protokolls eine Erinnerung an das Jahr 1996 habe und deshalb seine Befragung kaum interessant sei. „Mich interessiert das schon“, entgegnete ihr Götzl und er löste damit Entrüstung bei den Verteidiger-Teams von Zschäpe und dem Mitangeklagten Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben aus. Die Verteidiger stellten daraufhin den Befangenheitsantrag und baten zudem wenig später um eine mehrstündige Verhandlungspause. Der Zeuge habe „faktisch keine Erinnerung mehr“, erklärte Heer. Dennoch versuche Götzl „um jeden Preis“ den Vernehmungsinhalt über den Zeugen in das Verfahren einzubringen. Sein Fazit: „Das Ergebnis der Hauptverhandlung steht in den Vorstellungen des Vorsitzenden schon fest“.

Zuvor hatte das Gericht eine Sprachwissenschaftlerin des Bundeskriminalamts als Zeugin befragt. Sie hatte den Auftrag zu klären, ob Beate Zschäpe Autorin des sogenannten „NSU-Briefs“ ist. In dem Schreiben bekannte sich die Gruppe zum Motto „Taten statt Worte“. Die Expertin verglich das Schreiben mit zahlreichen Anträgen Zschäpes in der Haft und einem persönlichen Brief der Hauptangeklagten. Ergebnis der Untersuchung: „Eine Autorenidentität kann weder festgestellt noch ausgeschlossen werden“, erklärte sie.

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