„Rainer Sauer: Das ist meine Meinung!“ – Gedanken über „Einwanderer im Bauch von Sklavenschiffen“

12.03.17 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, POLITIK & URBANES LEBEN, START1 Kommentar zu „Rainer Sauer: Das ist meine Meinung!“ – Gedanken über „Einwanderer im Bauch von Sklavenschiffen“

Detail einer DDR Briefmarke 10+5 Pfennig Solidarität 1981 - Abbildung © MediaPool Jena

Abbildung © MediaPool Jena

RAINER SAUER das ist meine Meinung - PlateEin weiteres Mitglied der Regierung von US-Präsident Donald Trump hat sich eine verbale Entgleisung geleistet. Wohnungsbauminister Ben Carson (selbst afroamerikanischer Abstammung) bezeichnete letzte Woche die rund 29 Millionen Menschen, die vor Jahrhunderten in Afrika gefangen genommen wurden und als Sklaven nach Nordamerika verkauft worden waren, in einer Ansprache an Mitarbeiter seines Ministeriums als „Einwanderer“, die von „Erfolg und Glück für ihre Familien in den USA geträumt“ hätten. Zuvor hatte Carson über Menschen gesprochen, die über Ellis Island, einer Insel nahe der Freiheitsstatue im Hafen von New York, über die im 19. und 20. Jahrhundert Millionen einwanderungswilliger Migranten abgefertigt worden.

Zum Hintergrund: Sklaverei bezeichnet allgemein den Zustand, in dem Menschen vorübergehend oder lebenslang als Eigentum anderer behandelt werden. Bei der Sklaverei im engen Sinne der US-amerikanischen Geschichtsschreibung war das Recht, Sklaven zu erwerben, zu verkaufen, zu verschenken und zu vererben sogar gesetzlich verankert. In fast allen Epochen der Vergangenheit wurde das „Halten von Sklaven“ ideologisch untermauert – in den Vereinigten Staaten von Amerika ist es vor allem Präsident Abraham Lincoln zuzuschreiben.

Am 1. Januar 1863 trat Lincolns Emanzipations-Proklamatiom in Kraft, deren entscheidender Passus besagte, dass „alle Personen, die in einem Staat oder dem bestimmten Teil eines Staates, dessen Bevölkerung sich zu diesem Zeitpunkt in Rebellion gegen die Vereinigten Staaten befindet, als Sklaven gehalten werden, fortan und für immer frei sein sollen.“ Im Sezessionskrieg, dem Amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865, wurde die Proklamation Lincolns zu einem wichtigen Punt und die Befreiung der Sklaven war von Anfnag 1883 an ein offizielles Kriegsziel der Union. Nach der Niederlage der Konföderation wurde die Massenversklavung 1865 durch den 13. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten vom Kongress vollständig abgeschafft.

Nun versuchte Minister Ben Carson offensichtlich die US-amerikanische Geschichte durch „alternative Fakten“ zu relativieren. Im Kontext sagte Carson am Montag in Washington: „Amerika ist ein Land der Träume und Chancen. (…) Da waren andere Einwanderer, die im Bauch von Sklavenschiffen hierhin kamen, sogar länger arbeiteten, sogar härter für weniger. (…)  Aber auch diese Menschen hatten einen Traum, dass ihre Nachkommen nach Wohlstand und Glück in diesem Land streben.“

Klingt meiner Meinung nach ein klein wenig nach dem vor allem in Thüringen politisch aktiven Björn Höcke, der (von Beruf Geschichtslehrer) im Zusammenhang mit der deutschen NS-Vergangenheit und dem wohlorganisierten Massenmord an sechs Millionen Menschen, von einer „dämlichen Bewältigungspolitik“ sprach und einem „Umdenken“ bezüglich der Deutsche Geschichte sprach, weil die deutsche Geschichte „mies und lächerlich gemacht“ werde und zu dem „Gemütszustand eines total besiegten Volkes“ beitrage.

Die Äußerungen Ben Carsons lösten übrigens umgehend weltweit Entrüstung aus. Die größte schwarze US-Bürgerrechtsorganisation NAACP kommentierte seine Rede mit nur einem Wort plus drei Fagezeichen („Einwanderer???“) und das Anne Frank Center for Mutual Respect (dies ist eine Partnerorganisation des Anne Frank Hauses in Amsterdam) bezeichnete Carsons Äußerungen als „tragisch, schockierend und inakzeptabel“ und sprach von einer „Beleidigung“. Doch der US-Minister gab sich trotzig und schrieb auf Twitter belehrend: „Ein Einwanderer ist: eine Person, die in ein fremdes Land kommt, und dort permanent lebt.“

Und wie es bei Populisten inzwischen üblich ist, legte Carsons Ministerium in einer Erklärung nach und teile mit: „Niemand glaubt ernsthaft, dass er freiwillige Einwanderung mit unfreiwilliger Zwangsarbeit gleichsetzt.“ Solche Auslegungen der Worte Carsons seien „zynisch“ und eine „Fehlinterpretation des Gesagten“. – Nein- das sind sie gewiss nicht. Wen die Historie interessiert, dem sei die mit vielen Preisen ausgezeichnete US-Fernsehserie „Roots“ (basierend auf dem gleichnamigen Roman von Alex Haley) über die Geschichte einer afroamerikanischen Familie empfohlen, weil Bilder das Geschehene manchmal besser verdeutlichen, als es Worte vermögen. Denn auch ohne Roman und TV-Serie besteht nicht die Spur eines Zweifels daran, dass die rund 29 Millionen Sklaven nicht freiwillig in die heutigen Vereinigten Staaten von Nordamerika „eingewandert“ sind, sondern brutal aus ihrer afrikanischen Heimat entführt wurden und damals überwiegend bar jeglicher Freiheitsrechte in Amerika leben und ohne Lohn arbeiten mussten. Egal, was die Trump-Regierung meint richtigstellen zu müssen.

Rainer Sauer, Jena
im März 2017





Ein Kommentar

  1. Danke für diesen Beitrag. Im Übrigen ist Weiteres zum Thema aus intelligent-sarkastische Sichtweise in Randy Newmans Song „Sail Away“ nachzuhören. (https://www.youtube.com/watch?v=A5hFQFPFcHo)
    Die Lyrics dazu:
    „In America you’ll get food to eat
    Won’t have to run through the jungle
    And scuff up your feet
    You’ll just sing about Jesus and drink wine all day
    It’s great to be an American

    Ain’t no lions or tigers ain’t no mamba snake
    Just the sweet watermelon and the buckwheat cake
    Everybody is as happy as a man can be
    Climb aboard little wog sail away with me

    Sail away sail away
    We will cross the mighty ocean into Charleston Bay
    Sail away-sail away
    We will cross the mighty ocean into Charleston Bay

    In America every man is free
    To take care of his home and his family
    You’ll be as happy as a monkey in a monkey tree
    You’re all gonna be an American

    Sail away sail away
    We will cross the mighty ocean into Charleston Bay
    Sail away-sail away
    We will cross the mighty ocean into Charleston Bay“

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