In München geht der „NSU“-Prozess zu Ende: Die Verhandlungstage 21.11. bis 21.12.2017

30.12.17 • INTERESSANTES, JEZT AKTUELL, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu In München geht der „NSU“-Prozess zu Ende: Die Verhandlungstage 21.11. bis 21.12.2017


Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:

21.11 bis 29.11.2017: Der 389. bis 394. Verhandlungstag

Nun sind es nur noch wenige Wochen, dann wird das Urteil im Münchner Prozess zum Thema „Nationalsozialistischer Untergrund“ gesprochen werden. Im restlichen November und dem Dezember 2017 waren die Nebenkläger-Anwältinnen und -anwälte am Zug und hielten ihre Plädoyers. Das wird auch noch im Januar so gehen – darauf folgen dann die Anwälte der Angeklagten: Carsten Sch#ltz#, Andre Em#ng#r, Holger Gerlach, Rals Wohlleben und Beate Zschäpe, mit ihren Plädoyers; Zschäpe hat alleine fünf hiervon.

Beim neunten Mord, der dem „NSU“ zugeordnet wird und dem in Kassel Halit Yozgat zum OPfer fiel, war der V-Mann-Führer Andreas Temme am Tatort. Für Ismail Yozgat, den Vater des Ermordeten, steht fest, dass Temme in den Mord involviert war. In seiner Ansprache erhob er auch schwere Vorwürfe gegen Ministerpräsident Volker Bouffier, der ab April 1999 Innenminister in Hessen war. Seine Rechtsanwältin Doris Dierbach lobte in ihrem Plädoyer dann zwar die Befragung von Andreas Temme durch den Senat am OLG München, jedoch, so sagte sie, „es hat nichts gebracht. Er hat nicht nur uns, sondern von Beginn der Ermittlungen an auch die Ermittler belogen und er konnte das tun, weil er volle Rückendeckung durch seine Behörde hatte.“ Dann wandte sich Dierbach an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, die nicht wie bei ihrer Festnahme angekündigt, ausgepackt habe, sondern die „hinter den Taten und der sie begründenden Ideologie stand und steht“. Schlusswort von Dierbach: „Dafür werden Sie, Frau Zschäpe, eine sehr lange Zeit im Gefängnis verbringen.“

Eisenach-Stregda, Straße „Am Schafrain“: Todesort von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. – Foto © MediaPool Jena

05.12. bis 21.12.2017: Der 395. bis 401. Verhandlungstag

Zwei Kernentwicklungen gab es in den Plädoers der Nebenklage im Dezember. Erstmals schreib eine Nebenklägerin Beate Zschäpe eine bedeutendere Rolle zu, als es die Bundesanwaltschaft in ihren Ausführungen tat. Angela Wierig vertritt als Anwältin die Schwester des 2001 vom „NSU“ ermordeten Hamburger Einzelhändlers Süleyman Taşköprü . Sie bezeichnete die Hauptangeklagte vor dem Oberlandesgericht München als (Zitat) „Gründerhirn“ und „Mastermind“ der Terroristengruppe. Zschäpe habe frühere Aktionen der Gruppe als „nicht zielführend“ kritisiert und dafür gesorgt, dass „aus Aktivisten Terroristen wurden“, so RAin Wierig. Die Rekonstruktion des Hamburger Falles sei so gut wie lückenlos: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hätten seinerzeit das Altonaer Lädchen von Taşköprü betreten und diesem ohne Vorwarnung in den Kopf geschossen. Als er am Boden liegend schossen die Mörder ihm noch zwei weitere Male in den Hinterkopf, so die Nebenklageanwältin. Danach fotografierten Böhnhardt und Mundlos das Mordopfer und die Fotos „wie die Trophäe eines Großwildjägers“ in das menschenverachtende Video ein, das Beate Zschäpe im November 2011 medial verbreitet habe. Im Gegensatz zu mehreren anderen Nebenklägern bezweifelten am 396. Verhandlungstag (= 12.12.2017)  andere Anwälte der Familie Taşköprü, dass während des Prozesses die Schuld des wegen Beihilfe zum neunfachen Mord angeklagten Jenaers Ralf Wohlleben bewiesen werden konnte. Die Bundesanwaltschaft hält es zwar für lückenlos erwiesen, dass Wohlleben die Ceska-Mordwaffe habe beschaffen lassen, sieht in ihm die „steuernde Zentralfigur“ hinter dem „Nationalsozialistischen Untergrund“, aber die Taşköprü -Rechtsanwälte sehen die Anklagekette als „zu dünn“, wie sie sagten.

„Rache ist nichts, was meinem Mandanten in seinem Schmerz hilft. Was helfen würde, wäre die Wahrheit zu erfahren.“ Dies ist der Wunsch, den Opferanwalt Walter Martinek im Namen seines Mandanten, des Polizeibeamten Martin Arnold, äußerte. Dieser hatte am 25. April 2007 im Streifenwagen neben der Polizistin Michèle Kiesewetter gesessen. Beiden wurde von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos aus nächster Nähe in den Kopf geschossen – Kiesewetter starb, Arnold überlebte schwerst verletzt. „Aus unserer Sicht gibt es keinerlei Zweifel mehr an der Täterschaft Böhnhardts und Mundlos‘ und zwar unabhängig von der Frage, ob es weitere Beteiligte vor Ort gab oder nicht“, sagt Martinek. Sein Mandant habe aber wissen wollen, warum auf ihn und seine Kollegin geschossen worden sei. Das von der Bundesanwaltschaft gesehene Motiv, Hass auf Staat und Behörden oder Organe desselben, bzw. die gezielte Waffenbeschaffung, habe nicht überzeugt, sagte der Anwalt, denn vieles sei im Unklaren geblieben. „Um nicht zu sagen, mein Mandant und ich sind fassungslos über die Art und Weise der Aufklärung“, sagte Martinek. Fest stehe nur, wer auf Arnold und Kiesewetter geschossen habe. Doch selbst, wenn Beate Zschäpe an diesem Tag im April 2007 nicht selbst die Hand an der Waffe gehabt habe, sei sie Mittäterin gewesen und deshalb zu verurteilen.

Am 400. Verhandlungstag in Saal A 101 des Oberlandesgerichts München gab es das Plädoyer von Hardy Langer, Anwalt zweier Schwestern des 2004 in Rostock vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ erschossenen Mehmet Turgut. Dieser wandte sich auch direkt an die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. „Frau Zschäpe, Sie sind eine sehr starke Person“, sagte Langer. „Sie machen genau das, was Sie wollen, Sie lassen sich nichts vormachen, Sie sind kein Blättchen im Winde, das andere hin- und herpusten.“ Das Entscheidende, damit eine starke Person auch eine starke Persönlichkeit werde, sei das Vorhandensein einer Seele. Ohne Seele würden Kraft und Wille zum Selbstzweck. „Frau Zschäpe, bedenken Sie: Das Gericht schließt aus dieser Kraft und aus dieser Willensstärke möglicherweise auf eine besondere Gefährlichkeit Ihrer Person. Zschäpe gebe „den Mitgliedern des Senats keine Chance, irgendetwas Authentisches hinter Ihrer Fassade zu erkennen“, so Langer.

Am letzten Verhandlungstag im Jahr trug Rechtsanwalt Bernd Behnke vor, der einen Bruder des im Februar 2004 in Rostock erschossenen Mehmet Turgut vertritt. Außer Behnke hielten vier weitere Nebenklage-Anwälte ihre Plädoyers: Die Juristin Monika Müller-Laschet – sie vertritt drei Opfer des Nagelbombenanschlags vom Juni 2004 in der Kölner Keupstraße – berichtete dabei von den anhaltenden Problemen einer ihrer Mandantinnen. Die türkischstämmige Frau hätte nach ihrer Zeugenaussage im „NSU“-Prozess noch im Gericht einen „kompletten Zusammenbruch“ erlitten und sei bis heute krank geschrieben, sagte Müller-Laschet. Im Januar 2015 war diese Mandantin in der Hauptverhandlung aufgetreten und berichtete dabei über massive psychische Probleme seit dem Anschlag.

Der Prozess wird zwischen dem 09. und 11.01.2018 fortgesetzt.


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