Heute vor 20 Jahren: Die „Himmelsscheibe von Nebra“ wird entdeckt

04.07.19 • AUS DER REGION, JEZT AKTUELL, KULTUR & BILDUNG, NEWSCONTAINER, START, WISSENSCHAFT, MEDIZIN & TECHNIKKommentare deaktiviert für Heute vor 20 Jahren: Die „Himmelsscheibe von Nebra“ wird entdeckt

Die Himmelsscheibe von Nebra (Albumcover) – Bildrechte: Rainer Sauer

(Bernhard Doepfer) – Genau heute vor 20 Jahren wurde in einem ostdeutschen Wald nahe Nebra in Sachsen-Anhalt ein beeindruckendes Artefakt aus der Bronzezeit entdeckt. Obwohl seine Entdecker auch heute nach als Raubgräber bezeichnet werden, hätte man es ohne diese Schatzsucher vielleicht niemals gefunden.

In den Wäldern am Mittelberg bei Nebra lag das Artefakt zusammen mit Schmuck und Schwertern über dreitausend Jahre verborgen in der Erde, ehe das Fiepen von Metalldetektoren am 4. Juli 1999 die beiden Männer, Mario Renner und Henry Westphal, aufmerksam machte. Sie gruben an der Fundstelle und stießen auf eine, mit Goldapplikationen versehene, Scheibe, die sie irrümlich für Reste eines Bronzeschilds hielten, sowie mehrere Schwerter und andere Artefakte, die an dieser Stelle vor rund 3.600 Jahren vergraben worden waren.

Die Männer bargen ihre Fundstücke und boten sie bereits am Tag danach auf dem lukrativen Schwarzmarkt für archäologische Artefakte, der sich über ganz Europa erstreckt, an. Sofort wechselten die Scheibe, die Schwerter und alle anderen Objekte als Konvolut für 31.000 DM ihre Besitzer, was die folgenden zwei Jahre lang mehrmals der Fall war – zuletzt gingen die Funde von Nebra für über 200.000 DM an ein Hehlerehrpaar.

Draufsicht auf eine Replik der Himmelsscheibe von Nebra – Bildrechte: Bernhard Doepfer

Als diese das Konvolut 2002 für 700.000 DM in der Schweiz anboten, meldete sich der sachsen-anhaltinische Landesarchäologe Harald Meller als vermeintlicher Kaufinteressent in Begleitung von verdeckten Ermittlern der Schweizer Polizei bei ihnen und die Hehler wurden verhaftet. Die Scheibe und alle Begleitfunde wurden gesichert und schließlich nach Sachsen-Anhalt zurückgeschickt.

Schnell bekam die Scheibe den Namen „Himmelsscheibe von Nebra“. Auf den ersten Blick schien sie – 30 cm im Durchmesser und aus Bronze – den Nachthimmel, den Mond und die Sonne in Gold zu zeigen. Es waren auch zwei Goldbänder vorhanden – es schien jedoch, dass eines von seiner ursprünglichen Position gerutscht war. Nachfolgende Tests ergaben, dass die Scheibe rund 1600 v. Chr. erstmals hergestellt und in den folgenden zwei Jahrhunderten mehrfach ergänzt worden war. Außerdem stelle sich heraus, dass die Goldapplikationen des bronzezeitliche Artefakts weit mehr sind, als nur eine bloße Verzierung.

Richtig auf den Mittelberg ausgerichtet und flach gehalten, stimmten die goldenen Bänder mit der Ausbreitung von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang im Laufe eines Jahres überein. Die sieben Sterne oben rechts scheinen die Plejaden-Konstellation darzustellen und möglicherweise eine Hilfe beim Ausrichten der Scheibe im Frühjahr und Herbst zu sein.

Hergestellt von Menschen der sog. Aunjetitzer Kultur, von denen es keinerlei schriftliche Aufzeichnungen gibt, stützt die Himmelsscheibe die wissenschaftliche Annahme, dass dieser Kulturkreis ein komplexes Verständnis der Zyklen der Natur, des Nachthimmels und ein sich entwickelndes Verständnis der Himmels-Navigation mit Sonne und Mond hatte. Es wird vermutet, dass die Himmelsscheibe von Nebra ein Ritualgegenstand war, der zu bestimmten Jahreszeiten von Schamanen oder Priestern benutzt wurde, um die Bewegungen des Himmels und dort den Weg von Sonne und Mond nachzuvollziehen und den Beginn von Jahreszeiten zu bestimmen.

Ansicht einer Replik der Himmelsscheibe von Nebra – Bildrechte: Bernhard Doepfer

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Herkunft der verwendeten Metalle, die aus ganz Europa stammen und belegen, dass dies bei weitem kein Alltags-Gegenstand war. So stammte die Bronze aus Erzminen im heutigen Österreich, Gold und Zinn aus Cornwall in England.

Die genaue Verwendung und Herkunft der Himmelsscheibe von Nebra werden wir vielleicht nie erfahren, aber sie ist nach zwei Jahrzehnten zu einem der wertvollsten archäologischen Schätze Deutschlands geworden und erinnert an die zeitlose Beziehung der Menschheit zum Himmel.





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