„Jakob-Michael-Reinhold-Lenz-Preis für Dramatik 2017“: Der diesjährige Preisträger der Stadt Jena heißt Boris Nikitin

03.05.17 • JEZT AKTUELL, KULTUR & BILDUNG, NEWSCONTAINER, START, UNSER JENAKeine Kommentare zu „Jakob-Michael-Reinhold-Lenz-Preis für Dramatik 2017“: Der diesjährige Preisträger der Stadt Jena heißt Boris Nikitin

Portrait des Jakob Michael Reinhold Lenz ca. 1775 von einem unbekannten Künstler – Reproduktion © MediaPool Jena

Alle drei Jahre wird in Jena der Jakob-Michael-Reinhold-Lenz-Preis für Dramatik ausgelobt. Seit einiger Zeit ist der Dramaturg und frühere Schauspieldirektor des Staatstheaters Darmstadt, Jonas Zipf, Werkleiter des städtischen Kulturbetriebs JenaKultur und seiner Intention folgend steht im Zentrum des Jenaer Dramatikpreises 2017 ein postdramatischer Autorenbegriff. So erfolgte die Preisvergabe erstmals direkt und das auszureichende Preisgeld wurde mit der Aufgabe zur Entwicklung eines besonderen oder neuartigen Veranstaltungsformates verknüpft. Letzte Woche wurde offiziell der Preisträger 2017 bekannt gegeben und dieser heißt Boris Nikitin.

Die Begründung zur Preisvergabe an Nikitin: In der Arbeit „Martin-Luther-Propagandasymposium“ (Anmerkung: das nun vom 16. bis 18. Juni 2017 in Jena stattfinden wird) kann man in exemplarischer Form das Denken Boris Nikitins auf der Bühne erleben. Kritisch-diskursiv und künstlerisch setzt sich der Theatermann mit den Themen Glaube, Religion, Propaganda und Wirklichkeit und Fiktion auseinander. In Bezug auf Martin Luther erfolgt im Reformationsjahr die Dekonstruktion eines nationalen Narrativs. Künstlerisch wird gleichzeitig dort an die Auseinandersetzung mit Geschichte angeknüpft, wo Entwicklungen im Ansatz vorhanden, aber noch nicht gelöst sind.

Der Laudator Nikolaus Müller-Schöll formulierte es in seiner Laudatio auf den Preisträger so: „Ein Preis für Dramatik, der sich Lenz verpflichtet weiß, wird also, wenn eine Jury sich der mit diesem Namenspatron verbundenen Verantwortung bewusst ist, zunächst einmal ein Preis sein, der für diese Geste vergeben wird, für einen Schritt aus der Tradition, der in deren genauer Kenntnis mit ihr bricht, und der in diesem Bruch sich auf kein Fundament, kein vorausgesetztes Wissen mehr stützt. Ein Preis für die Aufkündigung des Wissens darum, was das heute ist: Die Dramatik mit ihren Kategorien der Rolle, des Dialogs, des Spiels, der Illusion und der Mimesis. Ein Preis für das Wagnis dessen, was man mit Michel Foucault und Judith Butler als Kritik bezeichnen könnte: für die radikale Ent-unterwerfung, die ein anderes Theater, eine andere Dramatik eröffnet und dabei das Risiko auf sich nimmt, kein Theater und keine Dramatik mehr zu sein – nach Maßgabe der Institutionen und ihrer Wächter. Eine solche Geste, ein solcher kritischer Akt, steht am Beginn der Arbeit des Schweizer Regisseurs, Installationskünstlers, Kurators, Theoretikers und Autors Boris Nikitin…. Es sind die verborgenen Möglichkeiten, eine Potentialität, die im Raum des Möglichen verbleibt, um derentwillen Nikitin seine Versuchsanordnungen aufbaut. Sein Theater lädt uns ein, im Bestehenden über das Bestehende wie seine Negation hinaus über das nachzudenken, was kommen mag: Anders als wir es erwarten, kritisch in jedem Sinne, ohne Grund, mag sein linkisch, in jedem Fall jenseits des Bekannten.“

Boris Nikitin – Fotogrraf: Kenneth Nars – Quelle: JenaKultur

Der Preisträger Boris Nikitin

Nikitin ist Theaterregisseur, Autor und künstlerischer Leiter des Festivals „It´s The Real Thing – Basler Dokumentartage.“ Er wurde 1979 in Basel geboren und studierte nach dem Abitur am Institut für Angewandte Theaterwissenschaften an der Justus-Liebig-Universität Gießen im Zeitraum 2002 bis 2008. Für die erste eigene Regiearbeit „Woyzeck“ 2007 bekam er 2008 den Jury-Preis des „100 Grad Festivals“ im Hebbel am Ufer. Seine Diplominszenierung „F wie Fälschung“ wurde ebenso wie „Woyzeck“ 2009 als eine der besten zehn Off-Theater-Produktionen zum internationalen Theaterfestival „Impulse“ eingeladen. Dort erhielt „F wie Fälschung“ den Dietmar N. Schmidt-Preis für die beste künstlerische Einzelleistung.

Seit 2010 produziert Nikitin von Basel aus Theaterprojekte sowohl mit freien Spielstätten als auch mit Stadttheatern, wie die Kaserne Basel, dem HAU Berlin. Mousonturm Frankfurt, Münchner Kammerspiele, Theater Freiburg und dem Theaterhaus Gessnerallee Zürich. Produktionen wie „Imitation of Life“ (2009) waren u.a. in Johannisburg und Kapstadt, im Sacharow-Institut in Moskau und in Zagreb zu sehen. Als Regisseur und Autor übernahm er Aufträge im gesamten deutschsprachigen Raum und erhielt für die Grazer Inszenierung „Der Fall Dorfrichter Adam“ 2011 die Einladung zum Heidelberger Stückemarkt. Die Musik- Theaterperformance „Sänger ohne Schatten“, als Auftragsarbeit für die Ruhrtriennale oder sein Performance-Stück „How to win friends & influence people“, eine Art Predigt im Kirchenraum, zeigen das Interesse des Schweizer Theaterregisseurs an neuen Formaten und fanden schnell international Aufmerksamkeit.

Seine jüngste, internationale Koproduktion „Hamlet“, eine freie Neuschreibung des Shakespeare-Stoffs, tourt derzeit durch Europa und wird unter anderem auch das diesjährige „Impulse“-Festival in am Schauspiel Köln eröffnen. „Theater der Zeit“ schreibt zu dem Stück: „´Hamlet´hebt die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit im Zeitgenössischen Performance-Theater auf eine neue Stufe.“ Im April 2013 kamen im Rahmen des ersten von Boris Nikitin kuratierten Festivals „Basler Dokumentartage“ die künstlerischen Sparten Tanz und Performance hinzu. Zur Aufführung kamen u.a. Beiträge von Milo Rau oder She She Pop. Zu den aktuellen Dokumentartagen im April waren u.a. bekannte Künstler wie Monster Truck, Oliver Zahn oder Laura de Weck nach Basel eingeladen. In den letzten beiden Jahren avancierte die mehrtägige Veranstaltung zu einem in Europa einzigartigem Festival an der Schnittstelle von Regietheater, politischem und dokumentarischem Theater und Performance, Film, Literatur und Bildender Kunst.





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