In München geht der „NSU“-Prozess zu Ende: Die Verhandlungstage 11.07. bis 01.09.2017
Zusammengefasst und kommentiert aus Pressemeldungen:
11.07./12.07./13.07.2017: Der 373. bis 375. Verhandlungstag
Zusammenfassendes Fazit der Plädoyers der Bundesanwaltschaft im Prozess gegen Beate Zschäpe im „NSU“-Prozess vor dem Oberlandesgericht München: Zschäpe habe von allen zehn Morden ihrer Freunde und Neonazi-Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sowie der Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ und deren Absichten gewusst. Mit beiden Männern sei sie wegen der gemeinsamen Gesinnung zusammengekommen, die auch und gerade im Untergrund zu „ihrer Familie“ geworden war. Es stimme nicht, so Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten, dass Beate Zschäpe nur unwissende Helferin gewesen sei, sondern eine voll verantwortliche Mittäterin, die jederzeit die Möglichkeit gehabt habe, das Treiben des „NSU“ zu beenden – wenn sie das denn gewollt hätte. Zudem habe sie auch nach dem Tod ihrer Freunde die Opfer des „NSU“ dadurch verhöhnt, dass sie die DVDs mit dem Bekennervideo des „NSU“ versandt habe.
25.07./26.07.2017 sowie 31.07. und 01.08.2017: Der 376. bis 379. Verhandlungstag
In den letzten Verhandlungstagen vor der Sommerpause setzte die Bundesanwaltschaft ihr Plädoyer fort. Nachdem im Anklage-Plädoyer die Rolle Beate Zschäpes im Gefüge des „NSU“ nahezu „abgearbeitet“ ist, konzentrierte sich die Bundesanwaltschaft an den Tagen 376 bis 379 überwiegend auf die beiden Beschaffer der Tötungswaffe in den neun Migrantenmorden vom Typ Ceska: Ralf Wohlleben und Carsten Sch#ltz#. Beiden könne die Beschaffung und Weitergabe der Waffe nachgewiesen werden, so die Bundesanwaltschaft. Als erwiesen sieht es die Staatsanwaltschaft an, dass Ralf Wohlleben der zentrale Helfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ gewesen ist.
Nur Wohlleben habe den Überblick gehabt, nur er habe gewusst, „wer aus seinem Einflussbereich in welcher Weise in Unterstützungsleistungen verstrickt war“, sagte Oberstaatsanwalt Weingarten vor Gericht und bezeichnete den Jenaer als „Mastermind“, also die steuernde Zentralfigur unter den Unterstützern gewesen. Ralf Wohlleben habe Entscheidungen getroffen, über „Sonderwissen“ verfügt, habe Boten und Handlanger eingesetzt. Weingarten fand noch eine weitere Titulierung für Ralf Wohlleben: Dieser sei „Schulmeister der konspirativen Abschottung“ des Trios gewesen. Zweifelsfrei sei es niemand anderes als Wohlleben gewesen, der den Mitangeklagten Carsten Sch#ltz# im Frühjahr 2000 beauftragt habe, die Pistole Ceska mit Schalldämpfer und Munition zu besorgen. Dieser haben von ihm die 2.500 DM für die Ceska erhalten und diese Summe habe von den „NSU“-Mitgliedern selbst gestammt, die insgesamt rund 10.000 DM aus Überfällen bei Wohlleben deponiert hatten.
Als „abwegig“, „unzutreffend“, „Unsinn“, so der Oberstaatsanwalt, sei Wohllebens Behauptung zu bezeichnen, dieser sei davon ausgegangen, Böhnhardt hätte eine Waffe wenn überhaupt nur gegen sich selbst richten wollen. Dies sei eine Schutzbehauptung, so Weingarten, passe sie doch gar nicht zur Bestellung der Waffe, die ausdrücklich kein Revolver, sondern eine Pistole, möglichst noch eines deutschen Herstellers sein sollte. Auch einen Schalldämpfer und 50 Schuss Munition bräuchte es für eine Selbsttötung nicht, so die Anklagebehörde in ihrem Plädoyer zu Ralf Wohlleben. Offen blieb die Schlussfolgerungen der Anklage zu Holger Gerlach. Letzterer hatte eingeräumt, den „NSU“-Terroristen eine Waffe gebracht und mehrere Personaldokumente besorgt zu haben. Die Frage ist: Kann es für ihn Strafmilderung geben, da er mit seinen Aussagen im Ermittlungsverfahren die Behörden erst in die Lage versetzt hatte, die Herkunft der Ceska-Pistole und ihren illegalen Handelsweg nach Jena zu klären?
31.08. und 01.09.2017: Der 380. und 381. Verhandlungstag
Über die Tagesordnungen der beiden Zwischentage hatte das Gericht vor den Ferien nur mitgeteilt, dass neue Dokumente verlesen werden sollen. Eine kleine Überraschung – denn eigentlich ist die Beweisaufnahme bereits geschlossen und die Bundesanwälte hatten mit ihren Plädoyers begonnen. Trotzdem wurden neue Beweismittel zur Bahncard auf den Namen „Susann Eminger“ vorgelegt (Tickets, Fahrschein etc.), mit der die heute 42-jährige Beate Zschäpe in den Tagen nach dem Tod ihrer Freunde, der Rechtsterroristen Uwe Mundlos (†38) und Uwe Böhnhardt (†34), am 04. November 2011 auf der Flucht vor der Polizei kreuz und quer durch Deutschland gereist ist. Der Name auf der Bahncard ist zugleich der Name der Ehefrau von Andre Em#ng#r, der in München wegen weniger gravierender Beihilfevorwürfe als Wohlleben, Gerlach oder Sch#ltz# angeklagt ist. Allerdings soll er bis zum Schluss engen Kontakt zum „NSU“-Trio gehalten und Beate Zschäpe geholfen haben, mit der Bahn aus Zwickau zu fliehen.
An Tag 381 störten gleich zu Beginn mehrere Demonstranten des linken „Netzwerk München – Bündnis gegen Naziterror und Rassismus“ den Prozess, warfen Papierschnipsel in den Saal und riefen: „Wir klagen an. Bundesanwaltschaft. Herbert Diemer. Anette Greger. Jochen Weingarten.“ Nachdem sie sich nicht mäßigten, wurden sie auf Anweisung des Vorsitzenden Richters aus dem Saal entfernt. Im bisherigen Prozess war es jedoch André Em#ng#r gewesen, der mehrmals wegen Provokationen aufgefallen war und in seiner Wohnung hatten Ermittler ein von ihm gemaltes Bild mit den Porträts von Mundlos und Böhnhardt gefunden, das er mit dem Wort „unvergessen“ versehen hatte. Die Bundesanwaltschaft bezeichnete Em#ng#r in ihrem Plädoyer als Terrorhelfer und „engsten Eingeweihten des Nationalsozialistischen Untergrunds“.
Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt habe Eminger ein „besonderes, exklusives Vertrauen“ entgegengebracht, sagte Oberstaatsanwalt Weingarten, habe von Anfang an die Gesinnung und die Ziele der drei geteilt. Zudem habe Em#ng#r Kenntnis davon gehabt, dass der „NSU“ mit Schusswaffen und Sprengstoff Zuwanderer töten wollten und ihren Lebensunterhalt mit der Beute aus Überfällen bestritten. Er habe mehrmals Wohnmobile gemietet, mit denen Mundlos und Böhnhardt zu Tatorten gefahren seien. Der Oberstaatsanwalt erwähnte auch den Spruch „Die Jew Die“ (deutsche: „Stirb Jude stirb“), der als Tattoo auf Em#ng#rs Oberkörper prangt. Offen blieb, welche Strafe ihn erwarten könnte, denn Anträge zum Strafmaß für Beate Zschäpe und die vier mitangeklagten Helfer des „NSU“ sind erst am Ende des Plädoyers vorgesehen. An Tag 381 schloss Oberstaatsanwältin Anette Greger jedoch ihre juristische Bewertung Zschäpes mit dem Satz: „Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung liegen grundsätzlich bei der Angeklagten vor.“
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